Zwischen den großen Festen von Weihnachten und Theophanien liegt fast verborgen das kleine Fest der Beschneidung des Herrn. Wahrscheinlich denken die meisten am 1. Januar eher an den heiligen Basileios und die Geschenke, die er den Kindern bringt, an die Basilopita, deren Münze man für ein glückliches Jahr zu bekommen erhofft, und natürlich an das große bürgerliche Fest des Neujahrs mit Essen, Trinken, Feiern, Glückwünschen und Raketen, die die Nacht zum Tag machen.
Der erste Januar ist zugleich auch der achte Tag nach Weihnachten. Er hat eine alttestamentliche Prägung, zumindest im ersten Hinsehen. Dass unser Herr nicht nur unter dem jüdischen Gesetz stand, sondern es auch selbst erfüllt hat, ergibt sich daraus, dass er ja auch der Gesetzgeber selbst ist. Das Wort, das der Prophet Moses im unverbrennbaren Dornbusch gehört hat, war der Logos des Vaters Selbst, und die 10 Gebote, die Moses aufschreiben sollte, sprach der Logos Gottes Selbst, als er mit ihm auf dem Berg Sinai redete.
Am achten Tag nach der Geburt soll jede männliche Erstgeburt gemäß mosaischem Gesetz beschnitten werden (Gen. 17, 10), zugleich wurde ihm auch der Name gegeben. Im Neuen Testament wird von der Namensgebung – sogar mit verständnisloser Diskussion der Verwandten – des Vorläufers und Täufers Johannes und des Herrn Selbst berichtet (Lk. 1, 59; 2, 21). Das führt direkt zur heutigen kirchlichen Praxis. Die Beschneidung wurde zwar durch das erste Konzil der heiligen Apostel in Jerusalem (Apg. 15, 20) allen nichtjüdischen Taufbewerbern erlassen, aber die Namensgebung am achten Tag nach der Geburt ist der Kirche als heilige Überlieferung geblieben. Nicht erst heute in der bürgerlichen Gesellschaft wird bei der Geburt der Name gegeben. Schon immer hat die Kirche am achten Tag nach der Geburt die Namensgebung vorgesehen. Bei der Taufe wird der mit Namen genannte Diener Gottes oder die mit Namen genannte Dienerin Gottes getauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, nicht „auf“ seinen bzw. ihren Taufnamen. Bis dahin aber ist das Kind nicht namenlos, sonst könnte es ja nicht vom Priester mit Namen angeredet werden. Den Namen bekommt das neugeborene Kind am Tag, an dem es Taufbewerber wird. Denn auch die Taufbewerber tragen einen Namen, sind eingetragen in das Buch des Lebens, gehören als Taufbewerber zur Kirche, nehmen an den Gottesdiensten und an der Göttlichen Liturgie bis zum Evangelium teil, sind zu Fasten und Gebet verpflichtet, kommen zum katechetischen Unterricht und würden im vorzeitigen Todesfall christlich bestattet. Sie müssen auch heute nicht als Bebos oder Beba anonym bleiben bis zum Tag der Taufe. In der frühen Kirche wurden die Katechumenen feierlich in das Buch der Gemeinde mit ihrem neuen christlichen Namen eingetragen, auch wenn sie auf die Taufe noch Jahre warten mussten. Diese Praxis sollte auch unbedingt für die erwachsenen Orthodoxiebewerber wiederbelebt werden. Es ist nicht nur hilfreich, das Katechumenat mit dem Segen der Kirche zu durch-laufen, denn es ist keineswegs eine Art Religionsunterricht, es ist auch gut, in mehreren Stufen zur Taufe geführt zu werden.
Gemäß dem Beispiel unseres Herrn hat unsere Kirche deshalb ein Gebet zur Besiegelung mit dem Kreuz und zur Namensgebung am achten Tag (Εύχή Είς τό κατασφραγίσαι παιδίον, λαμβάνον όνομα τή όγδόη ήμέρα ή Καρασφράγισις καί όνομαθεσία τού παιδίου): „Gezeichnet werden soll das Kreuz deines einzig gezeugten Sohnes in das Herz und in den Verstand Deines Dieners (Name)“. Mit diesem Gebet wird ein Mensch zum Taufbewerber, zum Kandidaten, genau genommen bereits zum Mitglied der Kirche, zu der auch die Katechumenen gehören. Er wird mit seinem Namen angerufen und zum ersten Mal bekreuzigt mit dem Zeichen des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, indem er auf Stirn, Mund und Brust mit dem Kreuzzeichen besiegelt wird. Damit wird das Leben des Taufbewerbers unter das Kreuz Christi gestellt, auch wenn er noch nicht eingepflanzt ist in das Gleichwerden seines Todes und der Auferstehung, wie der Apostel Paulus im Römerbrief, der bei der Taufe gelesen wird, sagt (Röm. 6, 5). Das Mysterium der Taufe ist mehr als nur eine Aufnahme in die Kirche, mehr als die Namensgebung, es ist ein wirkliches Heilsgeschehen, eine reale Veränderung, eine Neuschöpfung in Christus zum ewigen Leben, wie Paulus weiter schreibt: „Wenn wir aber mitgekreuzigt sind mit Christus, so glauben wir, dass wir auch mit ihm zusammen leben werden“ (Röm. 6, 8).
Das Gebet zur Bekreuzigung und Namensgebung ist der erste Schritt auf dem Weg zur Vollendung im Mysterium der Taufe und öffnet das Tor zur Kirche. Am Fest der Beschneidung des Herrn auch an den Weg eines jeden Katechumenen zu denken, ist sehr sinnvoll. Denn anders als in der frühen Kirche und anders als bei erwachsenen Konvertiten ist die Katechese auf die Zeit nach der Taufe der Babys verschoben, normalerweise sogar viele Jahre nach der Babytaufe, sie sollte bzw. darf aber nicht vergessen werden. Oft fragen Taufpaten, welche Aufgabe ihnen zukommt, und sie denken an die Osterkerze, das traditionelle Patengeschenk für Pas’cha. Wichtiger aber ist die christliche Erziehung, die Erziehung zu einem Christen und das Wissen über den Glauben, den der Taufpate in der Taufe stellvertretend für den Täufling im Glaubensbekenntnis dreimal bekannt hat, vor allem in der Diaspora, wo die Kirche nicht für alle in der Nachbarschaft steht und nicht für alle Kinder orthodoxer Religionsunterricht möglich ist.
Manche jungen Mütter kommen etwa drei Wochen nach der Geburt ihres Kindes in die Kirche und erbitten einen „halben Sarantismos“, ein halbes 40-Tage-Gebet, von dem sie von irgendwo einmal gehört zu haben glauben. Dahinter steckt nur eine halbe Wahrheit. Richtig ist, dass nach 40 Tagen die Mütter mit ihren Neugeborenen zum „Sarantismos“ das erste Mal zur Kirche kommen. Wie der Herr Selbst nach 40 Tagen in den Tempel gebracht wurde (Fest Ypapanti, 2. Februar), werden auch die Neugeborenen in die Kirche gebracht und Gott übergeben, und wird zugleich auch und – sogar zunächst – für die Mutter ein Gebet zur Reinigung gelesen, damit sie nun wieder an allen Mysterien der Kirche und an allen Gottesdiensten teilnehmen kann, nachdem sie sich von der Geburt erholt hat. Einen halben Sarantismos gibt es nicht, weder kann man die Hälfte der Gebete lesen noch halb zur Kirche kommen. In Wirklichkeit verbirgt sich dahinter das verschüttete Wissen, dass es vor der Einführung des Kindes in die Kirche nach 40 Tagen bereits vorher Gebete gibt, nämlich diejenigen am Tage der Geburt für die Mutter und nach acht Tagen für das Neugeborene, womit die gläubigen Mütter mit ihren Neugeborenen der Gottesmutter wie auch deren Verwandten Elisabeth und der heiligen Tradition des Alten und Neuen Testamentes folgen.
Hier können und sollen eigentlich die Betrachtungen zum Fest der Peritomi, der Beschneidung unseres Herrn Jesus Christus am 8. Tag nach der Geburt, enden. Die Gebete für die Mutter am Tag der Geburt und nach 40 Tagen beim ersten Besuch der Kirche gehören nicht unmittelbar zum Thema, sind aber erwähnt worden. Damit sind möglicherweise auch Fragen aufgebrochen bei denjenigen, die diese Gebete näher kennen und um ihre Problematik wissen. Denn in diesen Gebeten kommen Formulierungen vor, die schwer verständlich sind, aus einer anderen Zeit zu kommen scheinen, für anachronistisch gehalten werden und befremdlich wirken. Es gibt auch ernstzunehmende Überlegungen, die Gebetstexte zu überarbeiten und umzuformulieren. Das ist prinzipiell keineswegs verboten, zumal der Traditionsstrom der Evchologien, der Bücher mit den Mysterien und Segensgebeten sehr breit und geschichtlich relativ ist. Sicher werden heutzutage weit mehr Fahrzeuge als Fischernetze gesegnet.