„Durch Fasten werden wir uns der Zugehörigkeit zum Leib der Kirche bewusst“

Das Fasten, wie auch jeden asketischen Kampf (russ. Podvig), vollbringen wir für uns selbst und nicht für Gott, in dem Sinne, dass das auf keine Weise Gott nützt, sondern dem Menschen. Er wird geheilt, denn nicht Gott ist krank, sondern der schwache Mensch. Der schwache Mensch bedarf der Heilung, insoweit er von seinen Leidenschaften und Sünden verwundet ist.

Bei vielen Leuten, besonders bei jungen Männern, gibt es mehrere Einwände im Zusammenhang mit dem Fasten: welcher Nutzen erwächst daraus, wozu sollen wir fasten, und was bedeutet überhaupt das Fasten, mit dem wir jetzt beginnen sollen?

Selbstverständlich präsentierten die Kirchenväter eine Menge guter Auslegungen zu dieser Frage, besonders im Hinblick auf die Große Fastenzeit, welche vor allem als das Fasten in der Kirche gilt. Sie wurde nach heiligen Regeln der Konzilien festgelegt, der lokalen und ökumenischen, und gilt überhaupt als die strengste aller kirchlichen Fastenzeiten. Im Zusammenhang mit dem Gebot des Fastens wurde viele Auslegungen gegeben, sowohl theologische als auch praktische, welche erläuterten, warum der Mensch fasten soll.

Es gibt einige Häretiker, die das Fasten in Zweifel ziehen und sagen, dass das Evangelium und die Schrift nirgends Gebote Gottes enthielten, die davon sprechen würden, dass wir zu fasten hätten. Aus diesem Grunde schaffen sie das Fasten ab, und werfen orthodoxen Christen vor, sie würden menschliche Überlieferungen und Gebote bewahren, welche in der Schrift nicht vorfindlich seien.

Die Väter sagen, dass das erste Gebot, welches Gott den Menschen gab, das Gebot des Fastens war. Als Gott zu Adam und Eva sprach, dass sie von allen Bäumen im Paradies essen dürften, aber nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, war das nichts anderes als das Gebot des Fastens. Mit anderen Worten, Gott erlaubte dem Menschen nicht, von einem bestimmten Baum zu essen, er sollte sich von diesem enthalten, um das göttliche Gebot zu befolgen.

Der Sinn der Übertretung des Gebots, zumindest in praktischer Hinsicht, liegt im Verstoß gegen das Fasten, welches Gott dem Menschen auferlegte. Deshalb singen wir im Tropar, dass durch den Genuss der verbotenen Frucht (vom Baum der Erkenntnis) der Teufel den Menschen aus dem Paradies herausführt, jedoch Christus ihn durch den Baum des Kreuzes erneut ins Paradies hineinführti

(http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftn1).

Адам и Ева 

Adam und Eva

Aber auch Christus Selbst, als Er wegen uns Mensch wurde, gab uns das Beispiel, vierzig Tage und Nächte in der jordanischen Wüste zu fasten, wohin Ihn der Heilige Geist führte. In dieser Atmosphäre der Wüste und des Schweigens besiegte der Herr durch Fasten und geistigen Kampf den Teufel, der an Ihn mit drei großen Versuchungen herantrat.

Wir sehen also, dass in seiner praktischen Form das Fasten ein Gebot Gottes ist, sogar das erste Gebot Gottes. Seine Übertretung führte zur Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, und Christus als Neuer Adam begann seine Lehre, seine Predigt, sein öffentliches Wirken mit dem Fasten – so gab er uns das Beispiel. Die Einstellung zum Fasten, welche in Abhängigkeit von der Jahreszeit verschieden ist, erscheint oft, sozusagen, von Scholastik durchtränkt, und einige Leute haben sie sogar auf die chemische Analyse von Fastenprodukten reduziert: ob es dort pflanzliches Öl gibt oder nicht, ob Essig oder noch eine Menge anderes, was das eine, was das andere bedeutet, sie lesen all diese Aufschriften, auf der Rückseite, auf der Verpackung, sie schauen auf die Bestandteile des Produkts und geraten im Ergebnis in totale Verwirrung.

Lasst Euch einen lustigen Fall erzählen (Vr. Nektarios kennt diese Geschichte vom Heiligen Berg): Wir fuhren einmal mit einigen Vätern vom Heiligen Berg im Bus auf der Linie Ouranopolis – Thessaloniki. Vor mir saßen zwei Väter aus der Skite Kavsokalyvia. Der eine war fast ein bisschen moderner, so bezeichnen wir ihn, der andere verließ viele Jahre in Folge nicht den Heiligen Berg. Beide waren sie Eiferer (Zeloten), das heißt, sagen wir so, eher traditionelle, einfältige Leute, die am Stil des alten Kalenders auf recht fanatische Weise festhielten. Die Fahrt dauerte schon drei bis vier Stunden, und einer bewirtete den anderen mit etwas Konfekt, und dieser fragt ihn:

Und das enthält keine Milch?

Nimm‘, es ist gesegnet! „Konfekt mit Milch“, ja was soll das denn sein, Konfekt mit Milch? Iss’, es gibt da nichts.

Zum Unglück für seinen Nachbarn nahm jener indessen, und las etwas über die Zusammensetzung. Es gab da verschiedene Zutaten, und es stand geschrieben, dass das Konfekt 0,01 Milch-Nebenprodukte enthielte, etwas in der Art. Es erhob sich alsdann ein großer Krach im Bus: Geschrei, Gejammer, Streiterei, Skandal. Der Mensch hatte gegen das Fasten wegen einem Hundertstel Prozent an Milch-Nebenprodukten verstoßen.

Viele Menschen sind zu sehr in diese Frage versenkt, und dies wäre zu begrüßen, wenn es einem guten Gedanken über Akribie entspräche (d.h. dem Wunsch nach Strenge). Doch der Mensch sollte nicht übermäßig scholastisch sein, weil wir bei Menschen, die sich außerhalb der Kirche befinden, nicht einen solchen Eindruck hervorrufen dürfen, als ob das Wichtigste sei, was uns Sorgen macht, ob es da ein Tröpfchen Pflanzenöl gibt, und nicht darauf schauen, was wirklich Wesen und Sinn des Fastens ist.

Aber wichtig ist, dass während der Fastenzeit der Mensch das Bewusstsein der Zugehörigkeit zum Leib der Kirche erlangt. Die Kirche fastet als Leib, als ein Ganzes der Gläubigen in dieser Zeit, in folgender Art und Weise. Sie gibt uns die Empfindung, dass wir zum Leib der Kirche gehören, indem wir uns dem Gebot der Kirche unterordnen, jetzt ist Fastenzeit, und wenn wir dem Leib der Kirche angehören, heißt das, wir sind schon Glieder dieses Leibes, und wie der ganze Leib handelt, so handeln auch wir.

In der Kirchengeschichte gab es viele Märtyrer, die starben wie Märtyrer, das heißt, sie litten schreckliche Qualen und wurden ermordet, weil sie sich weigerten, das Fasten zu brechen, und nicht etwa, weil sie gezwungen wurden, Gott zu verleugnen, sondern lediglich, um dem Fasten zu entsagen, das Fasten zu brechen. Es gab auch solche Fälle, wo Gott auf wunderbare Weise eine ganze Kirche, Stadt usw. rettete, als nämlich die regierenden Heiden auf jede erdenkliche Weise das Volk Gottes, das fastete, verunreinigen wollten. So feiern wir am ersten Samstag der Großen Fastenzeit das Wunder des heiligen Theodor von Tyron, der auf wunderbare Weise intervenierte und das Volk Gottes, die Christen, vor der Verunreinigung der Speisen schützte, welche der Kaiser erwirken wollte, um auf solche Weise einen Schlag zu führen gegen ihr Gewissen und ihre guten Sitten.

Folglich ist das Erste, das wir ein kirchliches Bewusstsein erlangen, ein Bewusstsein dessen, dass wir Glieder der Kirche sind, und als solche tun, was der ganze Leib tut. Alle orthodoxen Christen auf der ganzen Welt fasten an diesem Tag, und das bedeutet, dass auch wir fasten, heißt, dass wir Glieder des Leibes sind. Wir dürfen uns nicht trennen, nicht auf irgendeine Weise allein handeln. Nicht kann das Volk Gottes auf einem Weg gehen, und wir folgen einem anderen.

Die Kirche, das ist nicht irgendetwas Unbestimmtes, irgendetwas Abstraktes, sondern der Leib, der aus Menschen besteht: du gehörst entweder zur Kirche oder du befindest dich außerhalb ihrer. Wir bilden eine Kirche, wenn wir gemeinsam im Gottesdienst stehen, wir bilden eine Kirche, wenn zwei oder drei im Namen des Herrn Jesus Christus versammelt sind, und wir bilden eine Kirche, wenn wir Einheit haben mit dem Rest der Kirche.

Искушения Христа в пустыне. Фреска афонского монастыря Дионисиат.

Die Versuchung Christi in der Wüste. Fresko des Athos-Klosters Hl. Dionysios

Ihr seht, oftmals ist Kriterium für viele Dinge in der Kirche nicht so sehr, ob sich etwas Gegebenes in Übereinstimmung mit den Regeln der Kirche befindet, sondern weit größere Bedeutung hat, ob die anderen Orthodoxen Kirchen diese Handlungsweise anerkennen oder nicht. Mit anderen Worten, für uns ist wichtig, dass wir, zum Beispiel, Gemeinschaft haben mit allen Orthodoxen Kirchen. Das ist es, was die armen Altkalendaristen nicht verstehen, das heißt, sie verstehen nicht, dass es wichtig ist, zum Leib der Kirche zu gehören, und nicht sozusagen, gewisse Regeln zu hüten, von welchen du denkst, dass sie sich in Übereinstimmung mit deinem Leben befinden.

Zuallererst ist nötig, dass dich die katholische Orthodoxe Kirche angenommen hat, dass du dich in Gemeinschaft mit ihr befindest. Ihr seht, wir alle, wenn wir zum Beispiel nach Russland fahren, empfangen wir die Eucharistie, gehen wir zur Kirche, wo der Patriarch zelebriert, werden wir mit ihm zusammen dienen und kommunizieren. Wenn wir zum Heiligen Berg fahren, werden wir dort ebenso dienen und kommunizieren. Auch wenn wir nach Jerusalem fahren, kommunizieren wir, wenn wir nach Griechenland, Syrien fahren, letztendlich dorthin, wo es die Orthodoxe Kirche gibt, und mit diesen allen verbleiben wir in heiliger Gemeinschaft der Mysterien. Wir dienen mit ihnen, und sie mit uns, wir haben teil an ein und demselben Kelch. Das bedeutet, wir sind Glieder des einen Leibes der Kirche.

Aber mit Schismatikern, als welche die Altkalendaristen sich erweisen, obgleich sie keine falschen Dogmen haben, zumindest in der Theorie ihres Lebens, werden wir nicht zusammen zelebrieren, sie werden nicht angenommen werden von anderen Kirchen, die am Alten Stil festhalten, wie die Kirche in Jerusalem, auf dem Heiligen Berg, in Russland usw., aber keine liturgische Gemeinschaft haben mit Altkalendaristen aus Griechenland und Zypern. Weil in der Theorie diese Leute den gleichen Glauben haben, aber in der Praxis sich vom Leib der Kirche lösten, sie als häretisch verwarfen und eine eigene Kirche gründeten, welche genauso glaubt, wie wir glauben. Sie wollen sogar ein wenig strenger und traditioneller aussehen als wir, aber, ungeachtet dessen, keinen Umgang pflegen mit der verbleibenden Orthodoxen Kirche. Aus diesem Grund ist ihre Stellung, wie auch ihre Rettung, sehr problematisch.

Folglich heißt der Kirche anzugehören, einem konkreten Leib der Kirche anzugehören, welcher aus Bischöfen, Priestern, Diakonen, Mönchen, Laien besteht, und wir alle bilden gemeinsam diesen Leib, welcher seinen Weg geht und sein Leben lebt. Heute ist Fastentag, die Kirche fastet, morgen ist Liturgie, die Kirche zelebriert die heilige Liturgie, jetzt ist ein Fest, die Kirche feiert. Es ist sehr wichtig, dass wir alle, die orthodoxen Christen, die Feste zusammen feiern, vor allem das österliche Pas’cha-Fest, wir alle zusammen, wohingegen wir es früher nicht zur gleichen Zeit feierten. Aber die Ökumenischen Konzile haben das auf verbindliche Weise festgelegt, und zwar deshalb, damit wir eine solche Empfindung haben, dass wir alle dem Leib der Kirche zugehören, der konkret ist, und nicht irgendwie abstrakt oder spirituell.

Nachdem dies in uns großgezogen ist, und das ist am wichtigsten nach meiner Meinung, beginnen andere Dinge, die eine praktische Form annehmen, sich durch die Mühe des Fastens in Heilsgüter zu verwandeln, in unserem persönlichen Leben. Das Erste, was zu lernen ist, ist das Abschneiden des Willens, d.h. du entsagst deinem Willen. Wenn die Kirche zu dir sagt: „Schau‘, heute wirst du kein Fleisch essen, du wirst nicht diese Speise essen, sondern eine andere“, und dir gefällt die andere Speise nicht, du magst sie nicht, du liebst nicht diese Speise, welche das Fasten vorschreibt, aber, ungeachtet dessen, isst du sie dann doch, weil nämlich Fastenzeit ist. Das Fasten gestattet dies zu essen, und nicht das, was du jetzt möchtest. Du möchtest zum Beispiel Schaschlik, aber du isst es nicht. Das heißt, du verzichtest auf deinen Willen.

Was heißt, dem Willen entsagen? Abgesehen von allem andern heißt das, wenn du auf deinen Willen verzichtest in dieser einfachen Angelegenheit und in diesem konkreten Fall, dann nimmst du den Willen der Kirche an, und darüber hinaus, du lernst später, auf deinen Willen zu verzichten gegenüber deinem Bruder, deiner Frau, deinem Kind, und noch mehr gegenüber dem Willen Gottes. Wenn unser Wille, der in sich Selbstliebe und eine Masse von vielem anderen aufweist, auf den Willen Gottes prallt, dann muss natürlich er, unser Wille, entwurzelt, abgeschnitten werden, dann muss er zurücktreten, damit wir den Willen Gottes annehmen, welcher in den Geboten Gottes zum Ausdruck kommt.

Irgendwer sagt: „Ich verstehe nicht, warum das eine Sünde ist“. Er versteht nicht. In der Tat, wie ihr wisst, gibt es wirklich solche Handlungen, welche für die Kirche Sünde sind, aber für den Menschen ist noch nicht leicht einsehbar, aus genau welchem Grunde sie Sünder sind, worin, mit anderen Worten, das Wesen der Sünde in dieser konkreten Handlung besteht. Solange er noch geistig unreif ist und keine große Besonnenheit hat, muss der Mensch akzeptieren, dass es für ihn genügt, wenn Gott etwas als Sünde festsetzt. Wenn Gott sagt: „Lüge nicht, stehle nicht, brich‘ nicht die Ehe, begehre nicht deines Nächsten Eigentum, missbrauche nicht den Namen Gottes, ehre deine Eltern“, dann sollst du, selbst wenn du noch nicht das Wesen der Sünde verstehst, trotzdem zumindest im Anfang als gegeben hinnehmen, dass, wenn Gott dies sagt und dies als Sünde festlegt, es dann auch Sünde ist, ein Fall und ein Bruch der Verbindung mit Gott.

Das ist, wie wenn du zum Arzt gehst, und er sagt dir: „Iss‘ diese Nahrungsmittel nicht“. Warum? Wir wissen nicht, was in unserem Organismus vor sich geht, wenn wir die vorgegebene Speise einnehmen, wir ergründen nicht die Chemie und alle Prozesse, welche in uns ablaufen und die fähig sind, unserem Organismus Schaden zuzufügen. Uns genügt, dass der Arzt sagt, dass wir diese Nahrungsmittel nicht essen sollen. Später, wenn ich Kenntnisse in Biologie, Chemie und Medizin habe, werde ich vielleicht den wissenschaftlichen Grund verstehen, weswegen ich den Verzehr einer konkreten Speise vermeide.

Das gleiche geschieht auch mit den Geboten Gottes. Es ist Tatsache, dass der Mensch anfangs sie nicht versteht. Deshalb hören wir oft in der Beichte, wie die Leute fragen: „Warum ist dies denn eine Sünde, wenn ich niemanden beunruhige, niemanden anrühre, wenn mir das gefällt, und ich niemand störe? Und in der Tat, diesem Menschen müssen wir antworten, worin das Wesen der Sünde in der gegebenen Handlung besteht. Aber wie kann das jemand verstehen, der gerade jetzt zur Kirche kommt?

Um dies zu verstehen, muss man zuerst andere Dinge verstehen. Also beginnen wir mit der Gegebenheit, nämlich damit, dass Gott sagt, diese Tat ist eine Sünde, und er segnet sie nicht. Folge dem Gesagten, und du siehst, wohin dich dies führt, in welche Verbindung zu Gott dich dies führt. Und wenn du daraufhin diese Tat begehst und deine Verbindung zu Gott unterbrichst, machst du die Erfahrung, welchen Sinn die Sünde hat, welche dich von Gott entfremdet durch diese Handlung, und wie, wie sehr und warum dies schadet.

Das Fasten, welches uns die Kirche anbietet, ist nicht die Vollendung der Tugenden, sondern nur die erste Stufe, und notwendig ist es ein großer Kampf, bis dass der Mensch die Vollkommenheit erlangt. Dies ist das Erste: entsage deinem Willen in Bezug auf diese Dinge. Was heißt: „Ich will jetzt diese Speise nicht essen, will ich eine andere?“ Wohl oder übel wirst du keine andere essen. Du darfst sie nicht essen, Verehrtester. Du erhältst die Gelegenheit, dich im Verzicht deines Willens zu üben, was dir natürlich hilft in deiner Beziehung zu Gott und dem Nächsten, und zu gleicher Zeit die Demut entwickelt. Wenn der Mensch seinem Willen entsagt, wird er praktisch demütig, weicht in der Tat zurück, und beginnt daraufhin zu kämpfen, zu verstehen, wie groß es ist, wenn der Mensch demütig wird und den Willen des Anderen hinnimmt, mehr noch, den Willen Gottes.

Ein anderer sehr wichtiger Vorteil, welchen das Fasten zur Folge hat, ist der Mut. Der Mensch, wenn er fastet, wird mutig, gewinnt Mut, welcher überhaupt eine sehr wichtige Tugend im geistigen Kampf ist. Wenn du keinen Mut hast, kannst du nicht gerettet werden.

Im Paterikon wird etwas Bemerkenswertes erzählt: ein Asket ging und fragte den Abba:

Sag‘ mir, Abba, wie kann ich gerettet werden?

Und er antwortete:

Wenn du ein Herz hast, kannst du gerettet werdenii

(http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftn2).

Natürlich hatte er nicht das biologische Herz im Blick. Wenn du etwas von Herzen wünschst, wenn das Herz dir das sagt und du Mut hast, wirst du gerettet. Wenn du keinen Mut hast und ängstlich bist, wirst du nicht gerettet. Du kannst nicht Askese üben und Gott nachfolgen, wenn du ängstlich bist, denn, um Gott nachzufolgen und überhaupt irgendetwas in Deinem Leben zu vollbringen, musst du mutig sein. Sogar in der Ehe: ein ängstlicher Mann kann nicht heiraten. Warum lachen Sie? Entweder muss man ängstlich oder ein Schlaukopf sein, um nicht zu heiraten. Wenn du keinen Mut hast, lässt du dich auf nichts ein, du fürchtest Dich; „Oh, wie komme ich damit zurecht? Wie schaffe ich das?“. Weder kannst du dann Mönch werden, noch sonst irgendetwas schaffen.

Der Mensch muss Mut in der Seele haben, um den alltäglichen Dingen in seinem Leben nachkommen zu können, von den einfachsten bis zu den kompliziertesten, bis hin zu den wertvollsten, von denen wiederum das Allerwertvollste die Rettung ist. Wenn du keinen Mut hast, wie sagst du nein zur Sünde? Wie kannst du nein zum alltäglichen Ruf der Leidenschaften sagen, zu den Provokationen der Versuchung, wenn du nicht gelernt hast, diesen Mut zu erwerben, und unerschütterlich darin zu bleiben, was du in diesem „nein“ entschieden hast, von dem du sprichst? Wenn du nicht unerschütterlich bist, sondern jenes „Rohr“ darstellst, „vom Wind hin- und her bewegt“ (Mth. 11, 7), dann hältst du natürlich nicht stand. Dann wirst du jedes Mal zu Fall kommen.

Mut ist eine sehr starke und wichtige Angelegenheit, sie ist eine Kraft der Seele, welche der Mensch haben muss. Gott sagt, dass Ängstliche sogar nicht ins Königreich Gottes gelangen.iii

(http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftn3).

Dies wird in der Offenbarung beschrieben: auf derselben Stufe mit den Dieben, mit denen, die sich mit Magie befassen usw., befinden sich auch die Ängstlichen, weil Angst ein Zeichen des Unglaubens ist. Der ängstliche Mensch hat Probleme mit dem Glauben. Der Starke ist nicht deshalb stark, weil er an sich glaubt, nicht deshalb, weil er sagt: „ich bin stark, ich bin ein Held, und vermag alles!“. In der Kirche ist das nicht so, sondern: „ich vermag alles durch die Kraft Gottes! Ja, ich vermag alles: ich werde asketisch kämpfen, ringen, sterben, aber durch Christus, Der mich festigt, nicht ich selbst, nicht mit eigenen Kräften, nicht allein“, weil ich sonst zerbrechen würde.

Wie der heilige Apostel Paulus sagt: „Alles vermag ich durch Jesus Christus, Der mich stark macht“ (Phlp. 4, 13). Und wie Christus sagt im Evangelium: „Ohne Mich könnt ihr nichts tun“ (Joh. 15, 5), und ebenso an einer anderen Stelle: „Dem, der glaubt, ist alles möglich“ (Mk. 9, 23).

Wenn du ängstlich bist, hast du diesen Glauben nicht, dass du sprechen kannst: „Durch Gott und den Glauben an Gott überwinde ich Hindernisse und Schwierigkeiten und alles, was mir bevorsteht“. Nicht wahr?

Die Fastenzeit rückt heran und du sagst: „Ich kann nicht, morgens werde ich Kaffee trinken, und ich brauche nur ein paar Tropfen Milch“. Nun gut. Und du gießt ein paar Tropfen Milch hinein. Schön, aber dieser Tropfen Milch, was ist das – etwa Kernenergie? Und wenn du ihn trinkst, was bist du – etwa ein Supermann? Und was soll das? All das hat seinen psychologischen Grund. Verstehst du vielleicht nicht, dass das einen psychologischen Grund hat?

Wenn du ein Glas Milch trinkst, dann mag das noch hingehen, das wird dir noch etwas geben, aber hier, solch ein Tröpfchen Milch, welches du mit gemahlenem Kaffee trinken wirst oder was du dort jeden Morgen trinkst, wird es dir solch enorme Energie verleihen, dass du schon am Morgen wach bist? Und wirst du nicht so ein Gefühl haben, dass es dich schüttelt und dir schwindelig wird? Gut, die Große Fastenzeit ist mehrtägig, und vielleicht wird dir wirklich schwindelig. Aber ist es etwa möglich, dass jetzt, wenn der Mensch nicht etwas Milch in die Tasse träufelt, er nach einer Stunde Schwäche in den Beinen spürt?

Квас, хлеб, лук... Фото: Людмила Дубровина.

Quas, Brot, Zwiebel… Foto: Ljudmila Dubrovina

Und wenn du ihm dann irgendeine andere Flüssigkeit zeigst – jetzt gibt es z.B. Soja, und in letzter Zeit noch etwas anderes, Mandelsaft – kennen Sie das noch nicht? Das sind ganz neue Lebensmittel. Das ist Mandelsaft und Soja, es erinnert an Milch. Nun, so sehr ähnelt es der Milch, dass es, sozusagen, den Geist des Menschen beruhigt, denn was ist denn Milch überhaupt. Wenn es weißer Saft ist oder etwas derartiges, dann heißt das, es ist Milch. Folglich habe ich Milch getrunken, das heißt also, mir wird nicht schwindelig. Und wenn du nicht davon trinkst, wird dir also schwindelig…

Wenn es wirklich bei einem Mensch Probleme mit der Gesundheit gibt, dann wird er natürlich nachsichtiger mit sich sein, also wenn er wirklich Probleme hat. Aber wenn er keine nachweislichen Probleme mit der Gesundheit hat, dann hast du einfach Angst vor etwas. Vor was hast du Angst? Der Mensch ist mit vielen Kräften begabt, und mit Hoffnung und Glauben an Gott vermehren sie sich, du bist nicht von diesem Tropfen Milch abhängig, welcher, selbstverständlich, nicht solche Bedeutung hat, wie wir ihm beimessen.

Wie wirst du dem Ruf der Sünde, der Versuchung, der Leidenschaften widerstehen, wenn dir die Kraft fehlt, solch eine Kleinigkeit zu überwinden?

Aber wenn der Mensch wirklich schwach ist, was sagen die Kirchenväter dazu? Sie sagen „Weihe Gott Deine Absicht, und Du wirst Kraft empfangen“iv

(http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftn4).

Zeige Gott deine Bereitschaft, deinen Willen, und Gott gibt dir Kraft. Du hast keine Kraft, und wenn auch, du bist schwach. Aber Gott ist allmächtig, und Er ist die Quelle der Kraft. Zeige deine Absicht und sprich‘: „Ich will es tun“.

Und nicht wie einige, die von vornherein erklären: „Wissen Sie, ich fahre nach England, und ich bitte um den Segen, nicht fasten zu dürfen“.

Nun, reise zuerst mal nach England, und wenn du nicht fasten wirst, sprich’ darüber später. Im Voraus die Vergebung der Sünden erteilen? Und wenn du nicht fährst? Denn du kannst ja auch nicht fahren. Es kann irgendetwas passieren. Steht es denn fest, dass du fährst, dass du anderes Essen nicht finden wirst, und wenn es nichts anderes geben wird, dass du nicht fasten wirst?

Es kam einmal ein Mann zu mir und erzählte mir so etwas. Ich gab ihm zur Antwort:

Gut, was soll ich dir sagen…? Darüber spricht man nicht im Voraus. Fahre!

Er, der Arme, verschwand. Er musste dort ein paar Tage bleiben. Er geriet an eine Art Vegetarier. Und es entstand so eine Situation, dass er im Ergebnis sogar Pflanzenöl nicht in den Mund bekam. Nur einzig Salat und wieder Salat… Und er war mit dem Gedanken abgereist, dass er nach England fährt und nicht fasten wird.

Der Mensch kann nicht vorankommen auf solche Weise. Sprich‘ „Ich werde fahren, ich werde mich bemühen, zu tun, was ich kann. Ich beabsichtige das Fasten einzuhalten. Ich beabsichtige, das Gesetz Gottes einzuhalten. Jetzt. Und wenn es sich bei mir nicht ergibt, wenn ich es nicht kann – dann ist das eine andere Frage, danach werden wir später schauen“.

Das ist keine Äußerung von Mut, die Schwäche im Voraus zu bekunden. Oder: „Ich möchte dorthin nicht gehen, weil man dort auf mich schimpfen wird“. Geh‘ zuerst dorthin, und später schauen wir, ob auf dich geschimpft wurde. Und nimm‘ nicht im Voraus eine Unmenge auf dich. Rufe nach der Hilfe Gottes, rufe Gottes Kraft herbei, und Gott wird dir Kraft geben, wenn du die Absicht hast, dies zu tun. Weil Gott keinen einzigen Menschen alleine lässt. Gott macht auch einen schwachen Menschen stark.

Im Gebet der Handauflegung sagen wir: „Die Gnade Gottes heilt den Kraftlosen und erfüllt den Kummervollen“. Gottes Gnade füllt aus, was dem Menschen fehlt, und stärkt das, was an ihm kraftlos und schwach ist. Verständlicherweise nur dann, wenn der Mensch will. Wenn er nicht will, dann kann nichts geschehen. Du überlässt Gott deinen Willen und erhältst von Ihm Seine Kraft, um dein Werk zu tun.

Übersetzt aus dem Bulgarischen ins Russische von Stanka Kosova (Dveri, Bg.), 28. Nov. 2013

Übersetzt aus dem Russischen von peter u. trappe, 1, Jan. 2014, mit dem Segen von Metropolit Athanasios, fernmündlich erteilt über Alexandros G.

Quelle: www.pravoslavie.ru

i (http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftnref1 „Durch das Holz wurde Adam aus dem Paradies vertrieben, durch das Holz des Kreuzes kam der Räuber ins Paradies hinein“ (Am Heiligen und Großen Freitag, morgens, Seligpreisung, Tropar 1 // Fastentriodion. M. 2003, S. 441 ob.

 

ii (http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftnref2). Die russische Übersetzung des Paterikons enthält nur eine Erzählung, diesem Thema nicht sehr nahe. Kap. 10, § 19 (16). M. 1991, C. 158; Erinnerungswürdige Erzählungen. Über Abba Ammon. § 4. M., 2009, S. 52-53

 

iii (http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftnref3). Siehe: Offb. 21, 8

 

iv (http://www.pravoslavie.ru/put/66177.htm# ftnref4). Vgl.: Erinnerungswürdige Erzählungen. Über Abba Longin. § 4. S. 166

 

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