Erzbischof Mark (Arndt): “Wir, die Christen, – sind nicht von dieser Welt. Und wir sollen uns nicht an diese Welt anpassen”

Mönch Rafail (Popow)

Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland spricht über das Leben und die Kindererziehung in einer Welt, welche vom antichristlichen Geist durchtränkt ist, über die Herausforderungen, vor denen das zeitgenössische Mönchstum steht, über Gadgets und Computer in der Kirche und über das orthodoxe Verständnis von Freude und Glück.

Einzige Pflicht – orthodoxer Christ sein

– Vladyka, Sie sind Vorsitzender der Kommission des Inter-Konziliaren Rates für Fragen des Kirchenrechts. Heute belieben praktisch alle, über ihre Rechte zu sprechen, aber die Pflichten werden gewöhnlich vergessen. Welche Pflichten haben wir zuallererst?

– Die einzige Pflicht ist, orthodoxer Christ zu sein. Jeden Tag, und nicht nur am Samstag oder Sonntag. Jede Stunde. Den eigenen Glauben bezeugen überall und während des ganzen Lebens.

– Die verschiedenen Epochen und Zeitperioden unterscheiden sich voneinander. Auf welche höchst ernsten Herausforderungen stoßen Ihrer Ansicht nach heute die Christen?

– An erster Stelle würde ich Probleme benennen, die mit der Erziehung der Jugend zusammenhängen. Heute dringt in unser Leben viel nicht-orthodoxer, antichristlicher Geist ein, mit welchem jedes Kind schon in den ersten Lebensjahren in Berührung kommt. Kirche und Eltern müssen selbstverständlich das Kind schützen, davor bewahren. Aber nur schützen – das reicht nicht aus, man muss auch etwas Positives geben. Es ist notwendig, dass die Kinder schon im jüngsten Alter an den Mysterien der Kirche teilnehmen, damit sie, so könnte man sagen, ihrer Ausschließlichkeit bewusst werden. Wir, die Christen – sind nicht von dieser Welt. Und wir sollen uns nicht an diese Welt anpassen. Ja, wir leben in dieser Welt, aber wir leben nach unseren Vorstellungen, nach unserem Gesetz.

Unsere Kinder müssen den Wert ihres Glaubens begreifen, wissen, dass sie etwas Besonderes haben, was bei anderen fehlt

Mit Opposition gegen diese Welt geraten die Kinder sehr scharf aneinander im Schulalter, besonders bei uns im Westen, wo sich in der Klasse vielleicht nur ein einziges orthodoxes Kind befindet. Und es wird selbstverständlich genötigt sein, seine Stellung zu behaupten. Aber dafür muss es seine Ausschließlichkeit, seine Besonderheit begreifen. Es muss wissen, dass ein Christ nicht handeln, nicht denken kann, wie alle anderen, sich nicht benehmen kann, wie sich die Schulkameraden benehmen. Es muss den Wert seines Glaubens begreifen, wissen, dass es etwas Besonderes hat, was bei anderen fehlt. Denn die Teilnahme an den Mysterien erhebt es über das gemeine Niveau. Und sogar seine Ordnung des Tages ist anders als bei anderen: Sie beginnt mit dem Morgengebet und endet mit dem Abendgebet. Und wenn das Kind das begreift, wird es ruhig leben können. Aber wenn es das nicht begreift, dann wird es entweder ständig niedergeschlagen sein oder sich einfach in der gemeinen Masse auflösen.

Das aber tun, was auch alle tun, mit dem Strom schwimmen, zusammen mit allen, dass ist der Jugend eigentümlich in jedem Land, nicht nur im westlichen. Für einen orthodoxen Christen ist es sehr gefährlich, dem nachzugeben, weil man sehr leicht sein “Ich”, seine Eigenart verlieren kann. Und nur, wenn du verstehst, welchen Reichtum du besitzt: Den orthodoxen Glauben, die orthodoxe kirchliche Tradition, wirst du dein eigenes Leben leben. Und im Westen wird diese Situation auch noch durch die Wahl erschwert: Russe oder Nichtrusse sein, eine derartige Sprache auch beherrschen oder eine solche nur usw. Somit stellt das Leben der jungen Generation nicht einfache Fragen. Und es ist wichtig, dass sie die richtigen Antworten kennt.

Von “gadgets” gefangen

– Die modernen Massenmedien erlauben blitzschnellen Zugang zu allen beliebigen Ereignissen, darunter auch zum Privatleben der Menschen. Alle haben eine Videokamera, und sei es auch nur im Mobiltelefon, und alle Bilder werden ja sofort ins Internet gestellt. Davor wird auch die Kirche nicht verschont. Wie viele Sequenzen sehen wir über liturgische Diener der Kirche, über ihr Tun und Treiben, sogar, wenn auch nicht immer, voreingenommene. Sie, als Erzhirte, welchen Rat würden Sie geben: Wie sollen wir reagieren, was sollen wir tun, wir alle, die Kirchenhierarchie, die Priester, die Gemeindemitglieder, wenn solche Dinge passieren? Wie sollen wir uns verhalten, wenn, nehmen wir an, irgendjemand über seinen Batjuschka ein nicht besonders gutes Video gesehen hat?

Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland und Groß-Britannien
Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland und Groß-Britannien

– Für uns ist das alles ein sehr wertvoller erzieherischer Faktor. Es ist eine Mahnung für uns, dass wir nicht vergessen, welche Verantwortlichkeit auf uns liegt, in welchem Maß unser Leben eine ständige Missionsarbeit sein sollte. Wir dürfen nicht irgendwelchen Leidenschaften oder Schwächen unterliegen, sondern müssen in jedem Moment unseres Lebens dem entsprechen, was unser Glaube uns lehrt.

Und die Priester standen auch früher vor aller Augen, so dass sich im Wesen nichts verändert hat – es hat sich verändert qualitativ und quantitativ: Wenn früher, nehmen wir an, in irgendeinem Dorf ein nicht ganz vorbildlicher Batjuschka diente, dann wussten davon nur seine Gemeindemitglieder, und heute hingegen haben eine Menge Leute die Möglichkeit, irgendeine unangenehme Sache zu sehen, davon zu erfahren.

Der Priester – und nicht nur der Priester, sondern jeder Christ – trägt immer die Verantwortung für alles, für alle: Sowohl für die ganze Herde, als auch für alle Mitchristen. Wir dürfen keinen Moment die Katholizität unserer Kirche vergessen. Und als vereinte Christen wirken wir immer zusammen mit allen anderen. Und das, was einer von uns tut, wird sich in allen widerspiegeln – im Positiven und im Negativen.

Abgesehen davon, muss man sich und andere natürlich ständig daran erinnern, dass irgendwelche einzelnen Episoden, irgendwelche Ereignisse, herausgerissen aus dem Kontext, nicht die allgemeine Verfasstheit bezeugen können. So dass man den Laien, den Außenstehenden klar sagen muss: Das ist nicht das Bild unserer Kirche, das ist ein einzelner Fehltritt. Und fehltreten kann jeder Mensch – das ist in die menschliche Natur hineingelegt. Und wenn so etwas vorfiel, dürfen wir uns nicht allzu sehr darin vertiefen, und gar noch mehr diesen Menschen irgendwie auf ein Postament stellen, ihn herausheben: Wir sollen immer wissen, dass dies den Fall eines einzigen Menschen darstellt. Und es ist nicht nötig, sich hier in etwas Spezielles zu verwickeln. Wie es übrigens niemals nötig ist, wenn die Angelegenheit irgendwelche anderen Lebensgebiete betrifft, noch mehr, wenn du in der Kirche lebst.

– Telefone, Smartphones, Tablets werden oftmals auch in den Kirchen benutzt, um beispielsweise nach einer Auslegung des Apostels, des Evangeliums zu schauen, oder die Gebete für die Eucharistie zu lesen. Was halten Sie davon?

Telefone und Gadgets sollten prinzipiell nicht in der Kirche benutzt werden, um andere Menschen nicht zu verführen

– Ich bin zur Schlussfolgerung gelangt, dass diese Geräte prinzipiell nicht in der Kirche benutzt werden sollen. Früher las ich selbst mit dem Telefon stille Gebete, die darin gespeichert waren, aber mir sagte einmal einer der Hierarchen: “Wissen Sie, die ganze Zeit kann man denken, dass Sie SMS-Nachrichten senden oder empfangen”. Ich habe sofort dieses Ding in die Tasche gepackt und entschieden: Nie mehr werde ich die Menschen verführen.

Und bedauerlicherweise benutzen sogar Priester Telefone im Altar, rufen an… Und ich komplimentiere sie immer hinaus, wenn ich das sehe.

Ich lasse zu, dass man äußerstenfalls im Telefon nach etwas Notwendigem schauen kann. Ich fahre oft zu Gemeinden, und bei uns ist es Brauch, dass wir im Altar das letzte Kondak nach “Kommt, lasst uns niederfallen” nach dem Kleinen Einzug singen. Und es kommt vor, dass ich das Zettelchen mit dem Text nicht bei mir habe, welches ich gewöhnlich vorbereite, oder dass ich einfach nicht das richtige Kondak gewählt habe, dann greife ich zum Telefon. Doch das ist ein seltener Fall.

Ich wiederhole: Ich weiß aus Erfahrung, dass das für irgendjemand eine Verführung sein kann. Und ich weiß auch, wenn du etwas oft tust, dann wird es zur Gewohnheit, von welcher man sich danach nur schwer befreien kann. Die modernen Techniken erweitern tatsächlich unsere Möglichkeiten, aber wir dürfen nicht alles auf sie übertragen, die Arbeit am eigenen Gedächtnis, am eigenen Denken vergessen.

Das Kloster und die Welt

– Vladyka, den Druck der Welt empfinden heute auch jene, die den Weg des asketischen Kampfes der Mönche gewählt haben. Welche Herausforderungen zählen sie zu den ernstesten?

Wenn man am Computer arbeitet, ist es schwierig, zu beten

– Vor allem ist es die Digitalisierung der Welt und des Menschen. Selbstverständlich wird durch sie vieles in unserem Leben erleichtert, aber das führt dann dazu, dass der Mensch entweder geneigt oder gezwungen ist, noch mehr Arbeit auf sich zu nehmen. Man denkt: Du hast ja einen Computer, du kannst deine Arbeit schnell machen, übernimm also noch zwei Aufgaben. Und ein Mönch verliert in einer solchen Situation einfach den Boden unter den Füßen und bleibt faktisch ohne Gebet. Worin bestanden unsere mönchischen Übungen des Gehorsams? Sie waren stets solcher Art, dass man bei ihnen beten konnte. Man flocht Körbe… pflegte den Garten… Unsere Mönche stellen zum Beispiel Kerzen her. Sie machen Kerzen, und beten. In der Druckerei ist es schon schwieriger, zu beten, und am schwierigsten ist es bei der Vorbereitung der Materialien zum Druck: Solche Arbeiten erfordern die Konzentration des Geistes, und beten dabei kannst du schon nicht mehr. Du kannst lediglich, wenn du ein erfahrener Mönch bist, das Gebet im Herzen aufrechterhalten.

Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland. Foto: Archimandrit Tichon (Schewkunow) / Pravoslavie.Ru
Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland. Foto: Archimandrit Tichon (Schewkunow) / Pravoslavie.Ru

 

Daher verlange ich, dass die Mönche, wenn sie mit diesen Klosterdiensten beschäftigt sind, jede halbe Stunde eine Pause einlegen, um 10 Metanien zu machen, 25 Jesusgebete zu sprechen, und danach wieder zu ihrer Arbeit zurückkehren. Ich weiß aus Erfahrung, dass das sehr wirksam ist. Viele haben Angst, sich von der Arbeit loszureißen: Sie denken, dass sie abgelenkt werden und den Gedankengang verlieren, aber das ist nicht so, gerade umgekehrt, nach dem Gebet kannst du klarer denken, kommen neue Gedanken. Ich habe das schon so praktiziert, als ich an der Universität studierte: Jede halbe Stunde unterbrach ich und stand im Gebet, und die Arbeit ging danach glatter vonstatten als zuvor. Natürlich ist hier die innere Disziplin nötig.

Jede halbe Stunde unterbrich die Arbeit, um 10 Metanien zu machen und 25 Jesusgebete zu sprechen

Eine andere Herausforderung besteht darin, dass oft die Mönche, leider, viel mehr gezwungen sind, mit der Welt Verkehr zu haben, als in früheren Zeiten. Besonders dann, wenn das Kloster nicht in einer Wüstenei, sondern in der Stadt oder in einer Vorstadt liegt, – dann gibt es große Versuchungen, verbunden mit der Notwendigkeit, in Berührung zu kommen mit der Welt: Hinausgehen für Einkäufe, für irgendeine andere Angelegenheit… Und wenn ein Mönch nicht gelernt hat, sich dazu auf rechte Weise zu verhalten, sich vorzubereiten, im Gebet zu bleiben, nicht auf für ihn unnötige Dinge zu schauen, dann können diese Kontakte mit der Welt für seine Seele großen Schaden bringen. Und selbstverständlich muss man sie reglementieren. Man muss sie begrenzen. Das ist sehr schwer, aber wir müssen das tun.

Außerdem muss prinzipiell die Nutzung von Computern und diverser sog. gadgets begrenzt werden: Auf keinen Fall dürfen sie in der Zelle genutzt werden – nur am Arbeitsplatz.

Noch etwas: Wenn Menschen ins Kloster eintreten, bringen sie auch bereits fest verankerte weltliche Gewohnheiten mit sich. Die am meisten verbreitete von ihnen ist, die Nachrichten zu verfolgen, auf dem Laufenden zu sein im Gang der Ereignisse in der Welt. Aber ein Mönch braucht das gar nicht. Diese Gewohnheit ist heute so sehr verwurzelt in den Menschen, dass man sich davon nur durch starken Selbstzwang befreien kann.

Ja leider, ich muss über einige Ereignisse Bescheid wissen, aber ich schaue oder lese Nachrichten nicht jeden Tag. Ich weiß: Wenn irgendetwas Wichtiges passiert, werden mich unsere Gemeindemitglieder anrufen und davon erzählen. Und wenn es wirklich etwas für uns Wichtiges ist, dann werde ich oder der Abt es unseren Mönchen übermitteln. Aber dieses hinter den Nachrichten herrennen, derart verbreitet in der Welt, muss in einem Kloster ausgeschlossen sein: Es führt weg vom Tun eines Mönchs.

Ein großes Problem sind die Verwandten. In unserer Zeit ist das etwas schwieriger zu lösen als in vergangenen Zeiten. Die Begegnungen mit Verwandten müssen ja auch begrenzt werden, damit der Mönch nicht in der Welt versinkt, – die Welt platzt auch einfach so ins Kloster hinein, und wir müssen ganz konsequent dafür sorgen, dass man dem nicht nachgibt. Gott sei Dank, es gibt den Athos, wo man fern von der Welt geistig kämpfen kann.

Mir scheint, das sind die grundlegenden Herausforderungen, auf welche das zeitgenössische Mönchstum stößt.

Ja, Disziplin, Gehorsam, das ist sehr, sehr schwer. Früher war es leichter, sich einer Disziplin zu unterwerfen, weil in der Familie Gehorsam natürlich war, ab der Kindheit anerzogen wurde. Heute gibt es das schon nicht mehr, und ein Mensch, der aus der Welt ins Kloster kommt, bringt mit sich den Geist des Ungehorsams und des Stolzes, er muss sich von sehr vielem befreien, woran er sich gewöhnt hat.

 

Vieles muss gebrochen werden. Beispielsweise fällt es oft den jungen Mönchen schwer, am frühen Morgen für den Gottesdienst aufzustehen. Freilich fiel das leichter in jener Zeit, als noch alle Jünglinge die Armeezeit absolvierten: Sie wurden dort an das frühe Aufstehen gewöhnt, und im Kloster schien ihnen das dann nichts Außergewöhnliches. Jetzt aber dienen viele nicht in der Armee, und für diese ist das frühe Aufstehen ein großes Problem.

Auf Ungehorsam stoßen wir in allen Klöstern, das ist das Elend unserer Zeit. und der Eigenwille ist ein schrecklich Ding.

Reinige das Herz für das Gebet!

– Ein Unheil unserer Zeit ist der maßlose Konsum. Und um irgendein Gut zu konsumieren, braucht man Geld, und wenn das Geld nicht ausreicht, nimmt man oft einen Kredit auf. Kürzlich wurde bekannt, dass Menschen in Russland in Schulden gerieten mit Summen, die annähernd vergleichbar waren dem Budget eines mittleren europäischen Landes. Das Leben mit Schulden führt zu schweren psychischen Folgen: Der seelische Frieden wird gestört, die Menschen hören auf, an irgendetwas anderes zu denken, als an die Abzahlung von Zins und Tilgung. Wie würden Sie diese Situation bewerten, und welchen Rat würden Sie jenen geben, die da hinein geraten sind?

– Ich habe nie Kredit aufgenommen und will keinen aufnehmen. Weil ich immer zu fürchten hätte, dass ich in irgendeine Falle geriete, und danach nicht wüsste, wie aus ihr herauszukommen. Obwohl natürlich unsere Gemeinden manchmal genötigt sind, einen Kredit aufzunehmen, um das Kirchengebäude oder irgendwelches Kirchengut für die Gemeinde abzuzahlen. Ich denke, dass das auf dieser Ebene zulässig ist. Aber im persönlichen Leben kann ich so etwas nicht akzeptieren, einfach darum, weil mich das in eine gewisse Abhängigkeit bringt, was ich nicht will. Doch das ist meine persönliche Einstellung, ich sage nicht, dass alle so leben müssen. In irgendeinem Maße ist es wahrscheinlich notwendig, sogar bisweilen vorteilhaft: Ich weiß, dass sie manchmal Autos leasen, weil das so billiger ist, als es zu kaufen. Jedoch, ich wiederhole, das ist nicht meine Einstellung. Und wenn jemand etwas anderes möchte, dann bitte.

– Ich komme zur Frage der Erziehung der Kinder und Jugendlichen: In letzter Zeit werden in den Medien Serien populär, in welchen als etwas Alltägliches und Gewohnheitsmäßiges die Zügellosigkeit, Ausschweifung, Prinzipienlosigkeit, das Negative präsentiert werden. Wozu führt das, und worüber müssen die Eltern nachdenken?

– Das führt zum Teufel! Aber jene Eltern handeln falsch, die einfach diese Filme und Spiele verbieten: Wir dürfen nicht das Leben auf Verboten aufbauen!

Die Kinder müssen anstatt der verführerischen Spiele und Sendungen das vermittelt bekommen, was ihrem Leben ein Fundament gibt. Und wenn sie dieses Fundament haben, dann werden sie selbst verstehen, beim nächsten Mal selbst durchschauen, was das für Filme sind. Sie werden begreifen, dass das Schmutz und Abscheulichkeiten sind, von welchen sich ein Mensch auf ganz natürliche Weise abwendet, weil er Reinheit anstrebt. Weil er zur Auferstehung strebt, zum ewigen Leben – dort gibt es Reinheit und Freude und Licht. Und diese Filme und Programme füllen stattdessen die Seele mit Finsternis.

 

Übrigens stellte bereits in den Jahren 1950-1960 ein amerikanischer Psychologe fest, dass die Kinder unserer Zeit schon im Vorschulalter so viel durchleben, wie ihre Großväter und Großmütter höchstens im ganzen Leben. Weil die Kinder vor dem Fernseher sitzen. Und wenn man es richtig bedenkt, dann belasten uns doch all diese TV-Sendungen mit derartiger Information, welche wir nicht brauchen. Ganz und gar nicht brauchen! Weder die Kinder, noch die Erwachsenen! Als ich vom Athos zurückkehrte, wohin ich für zwei bis drei Monate verreist war, fand ich einen Stoß Zeitungen auf dem Tisch, und durchblätterte die letzte und die erste: Es stand immer ein und dasselbe darin! Und all das betrifft mein Leben nicht. Das ist es, was jedem deutlich bewusst werden muss. Ich habe oben schon darüber gesprochen: Heute sind die Leute sehr abhängig von Nachrichten. Ich kenne solche, die vier bis fünf mal pro Tag Nachrichten schauen. Und welchen Nutzen bringt das? – Keinen. Wenn Du aber zu beten angefangen, wenigstens einen Psalm gelesen oder zwanzig Jesusgebete gebetet hättest, dann wäre das von Nutzen.

Unnötige Information überfüllt das Herz derart, dass du schon nicht mehr
beten kannst

Foto: W. Chodakow / Expo.Pravoslavie.Ru
Foto: W. Chodakow / Expo.Pravoslavie.Ru

Lies Gebete. Lies den Psalter. Und wenn du ein Erwachsener bist, dann auch die Auslegung des Psalters. Selbstverständlich ist der Psalter ein sehr schwieriges Buch, aber er durchdringt alle unsere Gottesdienste. Deshalb ist es nützlich, jeden Vers zu kennen, ihn zu erlernen, und zu schauen, was die heiligen Väter darüber schreiben, und damit leben. Das ist die wahrhafte Welt, aber das, was jetzt in Amerika oder Afrika sich ereignet… Was geht das mich an! Das reizt nur und erfüllt mit unnötiger Information Geist und Herz. Wobei diese unnötige Information danach beginnt, ein Eigenleben im Herzen des Menschen zu führen. Sie überfüllt es derart, dass er schon nicht mehr beten kann. Er kommt zum Priester in Tränen: “Batjuschka, bei mir kommt das Gebet nicht in Gang!” – aber die Ursache dafür liegt in der Regel darin, dass sein Herz vollgestopft und kein Platz für das Gebet ist: Diese unnütze, überflüssige Information besetzt alles. Wenn im Computer allzu viel Information eingespeichert wird, dann “brennt” er, hört auf zu funktionieren. Aber das menschliche Herz, ja leider, verbrennt nicht, es kann, übersättigt, einfach nichts mehr aufnehmen, und das schadet doch dem Menschen.

Wir müssen fortwährend auswählen. Wir wissen doch, dass der Mensch nicht gleichzeitig, nehmen wir an, auf dem Klavier oder der Geige spielen kann oder für den Ofen Holz hacken kann. Er kann nur das eine tun. Aber er denkt, dass er sich gleichzeitig mit vielen Dingen befassen kann. Und tut kein einziges richtig. Ich sage oft zu den Leuten: “Suche dir, wenn auch nur für fünf Minuten, die eine Sache aus, und erledige nur sie. Und danach etwas anderes. Stelle eine Liste zusammen, was zu tun ist, und überlege: ist das nötig? – Unbedingt. Aber dafür sind fünf Minuten genug. Und in der verbleibenden Zeit bete”. Dies ist eine systematische Einstellung zur Zeit. Und die Zeit – ist das Talent, welches uns gegeben wurde. Und mit ihm sollen wir arbeiten, wie im Gleichnis über die Talente gesagt wurde: Wir sollen das Talent nutzen. Aber wenn wir auf dem Sessel damit beschäftigt sind, unser Herz mit irgendwelchen Neuigkeiten voll zu stopfen, welche wir nicht brauchen, dann vergraben wir dieses Talent.

– Aber wir sollen doch Nachrichten schauen…

– Einmal pro Tag Nachrichten schauen, das ist völlig ausreichend, und mehr braucht es nicht. Viele sind so abhängig geworden, dass sie bereits vor Ungeduld zittern, wenn man sie z.B. mit einem Gespräch aufhält, denn sie müssen unbedingt die letzte Ausgabe der Nachrichten schauen. Das kommt auch bei Priestern vor.

Das Leben in der Kirche – das ist Glück und Freude

– Vladyka, wahrscheinlich schon seit dem Anfang der Kirche existiert in der Welt die stereotype Meinung, dass die Orthodoxie etwas langweiliges, freudloses sei, verbunden mit irgendwelchen Einschränkungen, welche den Menschen unglücklich machen. Wie können wir der Welt und Menschen, die nicht Teil der Kirche oder ungläubig sind, zeigen, dass das Christentum eine Religion der Freude ist, und dass sie die unbegrenzte Möglichkeit für eine Vervollkommnung des Menschen bietet?

– Wie man das zeigen kann? Sehr einfach: Mit unserem Leben. Je mehr wir selbst auf kirchliche Weise leben, werden wir uns über das freuen, was wir haben, und desto leichter wird es für uns, davon auch andere zu überzeugen.

Die Kirche schränkt uns nicht ein, im Gegenteil, sie befreit. Zuallererst von unseren Leidenschaften

Ich erkenne prinzipiell jenen Gedanken nicht an, dass die Kirche uns in irgendeiner Weise einschränkt. Im Gegenteil: Sie befreit uns, zuallererst von unseren Leidenschaften. Das Leben in der Kirche ist ja Befreiung, nicht Einschränkung. Und wenn zum Beispiel die Rede vom Fasten handelt, dann sage ich Folgendes: “Wenn der Arzt Ihnen eine bestimmte Diät vorschreibt, dann ist das schlimm, viel schlimmer als Fasten. Aber Sie werden diese Diät streng einhalten, weil der Arzt es Ihnen so verschrieben hat. Auch die Rede eines Priesters über die Notwendigkeit des Fastens darf man nicht für unwichtig oder unseriös halten.

Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland. Foto: Studio Neofit
Erzbischof Mark (Arndt) von Berlin und Deutschland. Foto: Studio «Neofit»

 

– Heute gewinnen in Russland immer größere Popularität Seminare und Trainingskurse, welche uns lehren, glücklich und erfolgreich zu sein. Zu diesem Unterricht kommen auch Leute aus der Kirche – mit ein und demselben Ziel: Lernen, Erfolg zu haben. Wie soll man diesen Leuten antworten: Was ist nötig, um aus dem Blickwinkel eines Christen glücklich und erfolgreich zu sein?

– Sie sollen Heiligenleben lesen – dann begreifen sie, dass sich die heiligen Märtyrer freuten, wenn sie zum Martyrium gingen. Manchmal stritten sie sogar untereinander, wer der Erste sein wird. Das ist eine ganz und gar andere Einstellung zum Leben als bei jenen, die außerhalb der Kirche sich befinden. Eine prinzipiell andere, und, man kann sagen, in vielem gegensätzliche. Weil wir nämlich das Glück darin suchen, dass wir die Gebote Gottes erfüllen. Und wir finden es dort, wenn wir alles richtig machen. Aber die Leute außerhalb der Kirche sehen das einfach nicht – und sie können das nicht sehen, weil sie in dieser Richtung nicht aufgeklärt sind.

Jeder Gottesdienst bei uns ist in solchem Maß eine theologische Schule! Man muss nur hören und vernehmen

Aber wir müssen auch genauso darüber reden, dass Christen dieses Glück oft nicht in vollem Maß aus dem Leben der Kirche empfangen, weil bei uns vieles unterbewusst oder sogar bewusstlos getan wird. Und in einem gewissen Maß sind wir, die Diener der Kirche, daran schuld, weil wir bisweilen vieles den Gläubigen entziehen, zum Beispiel, wenn wir im Gottesdienst nachlässig lesen, zu eilig… Ich sage sogar so, dass es die antikirchliche Propaganda ist, welche in die Kirche eindringt, wenn wir im Gottesdienst nachlässig lesen, oder dergestalt, dass niemand verstehen kann, was überhaupt gelesen wird. Und es geht nicht um die Sprache, aber darum, wie die Worte des Gebets ausgesprochen, wie sie vorgetragen werden. Vieles gibt es noch in unserem kirchlichen Leben, was hinkt und der Berichtigung bedarf. Und jeder Gottesdienst bei uns ist doch wahrhaft eine theologische Schule. Selbst wenn da zum Beispiel Kanones für jeden Tag anstehen, es ist dort alles vorhanden! Solch eine Schule! Man muss das nur hören und vernehmen.

Mit Erzbischof Mark (Arndt)
sprach Mönch Rafail (Popow)

9. Oktober 2015

Pravoslavie.ru

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