„Dies ist der Tag, den der Herr geschaffen hat,
lasset uns frohlocken und fröhlich sein!
Pas’cha das Schöne, Pas’cha, des Herrn Pas’cha,
Pas’cha, das hochhehre ist uns aufgegangen.
Pas’cha, umarmen wir einander in Freude.
Oh, Pas’cha, du Erlösung von der Trauer!“
In Freude frohlockt die Kirche. Christus – Treue, Christus – Wahrheit, Christus – Schönheit, Christus – unser Pas’cha: „das Schöne Pas’cha…“. Wird es denn schön für alle in diesem Jahr? Durch Gottes Barmherzigkeit werden viele von uns, die wir eifrig gefastet und uns um das Gebet gemüht haben, die aus reinem Herzen Buße getan haben – darauf hoffen können.
Und wie werden die Millionen orthodoxer Christen im Nahen Osten oder in der leidgeprüften Ukraine das Osterfest, Pas’cha feiern? Wie viele Flüchtlinge harren in Lagern, wie viele retten ihr Leben in der Emigration, beweinen ihre Verwandten und Freunde, oder sind von ihnen getrennt, haben ihre Häuser verloren, entbehren der Grundlagen ihrer Existenz, haben die Schrecken menschlicher und teuflischer Grausamkeit erlebt…
Unsere Erfahrung lehrt uns, dass wenn die Kirche uns nahe ist, der Gottesdienst, das Gebet, dann wird auch wenn zwei oder drei im Namen des Heilands versammelt sind, dieses Pas’cha – das Fest der Feste – für euch das Schöne sein. Das besagt die Erfahrung unserer Väter, die in den schwierigsten Umständen des Krieges und der Nachkriegszeit Kirchen errichteten. Sie ließen Kirchen buchstäblich aus dem Nichts entstehen, in Baracken, Kellern, stellten liturgische Geräte aus Blech her, schrieben die Texte von Hand und aus dem Gedächtnis. So mühten sie sich um der Buße und des Gebets willen, um zu den heilbringenden Mysterien des Leibes und Blutes Christi hinzutreten, an dem Auferstandenen, dem Erretter-Christus teilzuhaben.
Wie aber wird das Osterfest für viele und aberviele aussehen, die wohl getauft, aber nur dem Namen nach orthodoxe Christen sind, die nicht etwa durch fremdes, sondern durch eigenes Verschulden der geistlichen Zuflucht des Trostes beraubt sind, die ihrem eigenen Vaterhaus – der Kirche, fremd gegenüber stehen, die weder das Gefühl haben, wie wertvoll und wie notwendig das Gebet ist, noch den Sinn der Reue und des Fastens erkennen? Wie oft begegnen wir Geistlichen solchen Menschen, denen die Sorge um die tiefe Reinigung des Herzens, um die Errettung, unverständlich scheint, die niemals oder nur vor sehr langer Zeit gebeichtet haben? Der Same, der vom Heiland im Mysterium der Taufe gesät wurde, – jener Same, der dazu berufen war, in der Gemeinschaft mit Christus zu wachsen, wurde entweder gestohlen (der Herr Selbst erklärt im Gleichnis vom Sämann: vom Widersacher – dem Teufel), oder er ist vertrocknet, ohne in Geduld Wurzeln geschlagen zu haben, oder er wurde durch die Dornen erstickt – den Hunger nach äußerem Wohlstand, in dem es Gott nicht gibt und nicht geben wird, wie bei dem im Gleichnis des Herrn, „der das Wort hört, aber weltliche Sorgen und der Trug des Reichtums ersticken das Wort, und es bringt keine Frucht“ (Mt 13, 22). Wie aber könnt ihr, deren Seelen Gott so wertvoll sind, dennoch die siegreiche Fülle des Festes „des schönen Pas’cha“ erwerben, zu dessen echten Teilhabern werden?
Der Weg ist einer für alle, der einzige für uns alle – das ist der Herr Selbst, der da sprach: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch Mich“ (Jo 14, 6). Er – der Lebenspender, Der unseretwegen Mensch wurde, mit uns leidet und uns auferstehen lässt, weit öffnet Er uns
„die Tür der Buße“. Er – der Heiland, der zu Gott Vater empor führt. Er durchlief den irdischen Weg – der Er auf das Kreuz empor stieg, in das Grab mit dem Leib und in den Hades mit der Seele herabstieg, Er vollbringt die grundlegende, dem menschlichen Verstand nicht begreifliche, mit menschlichen Händen nicht zu vollbringende Tat – öffnet uns die Türen der Liebe und der Reue. Lasst uns nun durch diese in die Freiheit heraustreten. Überlassen wir es Christus, unsere Fesseln zu zerreißen, die Höllenketten. Aber hindurchgehen durch die geöffnete „Tür der Buße“ müssen wir selbst: durch unsere Entschlossenheit, unsere Arbeit, unsere Liebe… und unseren Hass!
Ja! Eben durch unseren Hass – auf die Sünde, denn sie hält uns immer noch in Gefangenschaft.
Wahre Umkehr enthält unabdingbar Abneigung, Ekel: entschiedene Abkehr von der Sünde, klaren Willen sie nicht zu wiederholen, der Sünde nicht weiterhin als Sklave zu dienen, so wie wir uns ihr bisher unterworfen haben und in Gefahr sind uns auch weiterhin leichtfertig zu unterwerfen. Ruft doch der Prophet David über die Sünde und die teuflischen Gedanken, die uns dazu treiben: „Gesetzesübertreter hasse ich, doch Dein Gesetz habe ich lieb“ (Ps 118, 113). Wahre Umkehr enthält unbedingt auch das Gebet zu Christus um die Liebe zu Ihm, zu Seinem Licht, zu Seiner Schönheit; um die Festigung in der Tugend.
Ostern wird für uns wahrlich schön, wenn wir diese „Frucht bringen, die der Umkehr entspricht“ (Mt 3, 8). Wenn uns das böse und überhebliche Verurteilen fremd wird, das sich in die Gewänder vermeintlicher Gerechtigkeit kleidet. Wenn wir keinerlei von Gott geschaffenes Geschöpf zu verachten wagen – wer es auch sei: reich oder arm, gebildet oder einfach, sei er Russe oder Ukrainer, Jude oder Deutscher, Grieche oder Türke.
Um dieses Wunders willen wurden wir in das Wasser der heiligen Taufe getaucht, um durch die Buße verwandelt zu werden, aufzuerstehen. Die Buße nagelt uns an Christus an, lässt uns mit Christus auferstehen, führt uns aus der Tiefe der Hölle heraus, und öffnet uns in Christus das Paradies.
Das „Schöne Pas’cha“ – Christus – verleiht uns die ersehnte Freiheit und Frieden, gutes Stehen in der Wahrheit und Wohlergehen.
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Berlin-München
Auferstehung Christi 2015