SOHN DER FREUDE. Zum Gedenktag des Hl. Sergius von Radonesch

Deutschsprachige Übersetzung aus dem Buch von Erzbischof Nikon Roschdestwenskij „Leben und Kämpfe unseres ehrwürdigen und gotttragenden Vaters Sergij, des Abtes von Radonesch und Wundertäters von ganz Russland“, Gesellschaft zum Gedenken der Äbtissin Taisija, St. Petersburg, 2014

Abbildung der Ikone des Ehrwürdigen Sergij, gemalt, wie die Überlieferung besagt, von einem seiner Schüler, im Jahr der Erhebung seiner heiligen Gebeine, und aufbewahrt in der Kirche des erzbischöflichen Hauses zu Nowgorod. – Die Einfassung der Ikone ist von der Kopfleiste des liturgischen Buches genommen, welches dem Ehrwürdigen Nikon gehörte und in der Gewandkammer der Lawra aufbewahrt wurde.

Abbildung der Ikone des Ehrwürdigen Sergij, gemalt, wie die Überlieferung besagt, von einem seiner Schüler, im Jahr der Erhebung seiner heiligen Gebeine, und aufbewahrt in der Kirche des erzbischöflichen Hauses zu Nowgorod. – Die Einfassung der Ikone ist von der Kopfleiste des liturgischen Buches genommen, welches dem Ehrwürdigen Nikon gehörte und in der Gewandkammer der Lawra aufbewahrt wurde.

S O H N D E R F R E U D E

 

Kapitel I

 Die Heimat des gotttragenden Sergij. – Seine Eltern. – Ihre Familie. – Wunderbares Vorzeichen. – Betrachtungen des seligen Epifanij. – Gebete der heiligen Mutter. – Belehrung der Eltern. – Die Geburt des begnadeten Kindes. – Das Kind als Faster. (1319-1326)

Sei gegrüßt Du vom Mutterleib an Geheiligter, Sei gegrüßt, Du in Deiner Geburt Sohn der Freude Genannter. Akathistos 2, Ikos 1 Sei gegrüßt, Du noch vor der Geburt durch Ausrufung die Heilige Dreiheit Ehrender Sei gegrüßt, Du uns wunderbar in frühester Kindheit das Fasten Offenbarender Akathistos 1, Ikos 3

Etwa vier Werst vom einst ruhmreichen, jetzt aber bescheidenen Rostov Velikij, in flacher, offener Gegend auf dem Weg nach Jaroslawl, lag einsam ein kleines Kloster, der Allerheiligsten Dreiheit geweiht: das ist das (nicht amtlich erfasste) Kloster Warnitzkiji. Nach alter Überlieferung, vor fast sechshundert Jahren, gab es dort irgendein Dorf, dessen Name in der Geschichte vergessen wurde, aber welches stets im Herzen orthodoxer russischer Menschen als berühmt galt und ihm teuer war und sein wird, weil dieses Dorf die gesegnete Heimat war, des großen Beters und Fürbitters für das Russische Land, unseres Ehrwürdigen und Gotttragenden Vaters Sergij, des Abtes von Radonesch und Wundertäters von ganz Russland. Hier lag das Gut seiner Eltern, der edlen und vornehmen Bojaren von Rostov, Kirill und Mariaii; hier stand ihr Haus; hier lebten sie auch, zogen die einsame dörfliche Natur dem unruhigen städtischen Leben am fürstlichen Hof vor. Übrigens stand Kirill im Dienst zuerst bei dem Rostower Fürsten Konstantin II Boríssowitsch, und später bei Konstantin III. Wassíljewitschiii; er begleitete sie viele Male zur Ordá, als einer der ihnen am nächsten stehenden Menschen; er besaß nach seinem Rang genügenden Reichtum; aber gemäß der Schlichtheit der damaligen Sitten des Dorflebens verschmähte er auch nicht die gewöhnlichen Feldarbeiten.; wir werden später sehen, dass Kirill zum Beispiel seinen minderjährigen Sohn losschickte, Pferde zu holen, wie auch heute noch einfache Dorfbewohner ihre Kleinen losschicken.

Kirill und Maria waren gute und gottgefällige Menschen. Wenn er über sie spricht, bemerkt der selige Epifanij, dass der Herr, der beliebte, auf russischer Erde eine große Leuchte erstrahlen zu lassen, nicht zuließ, dass sie von ungerechten Eltern geboren würde. Denn einem solchen Kind, das nach dem Plan Gottes künftig dem geistigen Nutzen und der Rettung vieler dienen sollte, gebührte es auch, heilige Eltern zu haben, damit das Gute aus Gutem hervorginge, und das Beste zum Besten gereiche, – damit von beiden Seiten der Lobpreis zum Ruhme Gottes sich vermehre, von dem Geborenen und denen, die das Leben schenkten. Und ihre Gerechtigkeit war nicht nur Gott allein bekannt, sondern auch den Menschen. Als strenge Bewahrer aller kirchlichen Gebote halfen sie auch den Armen; aber besonders hielten sie das Gebot des Apostels: Vergesst nicht die Gastfreundschaft, denn durch diese haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt (Hebr. 13, 2). Dasselbe haben sie ihre Kinder gelehrt, indem sie ihnen scharf einprägten, nicht zu unterlassen, einen pilgernden Mönch oder irgendeinen müden Wanderer zu sich nach Hause einzuladen. Auf uns sind keine detaillierten Zeugnisse über das fromme Leben dieses seligen Ehepaars gelangt; dafür können wir, zusammen mit dem heiligen Hierarchen Platon, sagen, dass „die Frucht selbst, die von ihnen ausging, besser als alle ausdrucksvollen Lobpreisungen, die Schönheit des begnadeten Baumes zeigte. Glücklich die Eltern, deren Namen ewig in ihren Kindern und Nachkommen verherrlicht werden! Glücklich auch die Kinder, die nicht nur nicht beschämten, sondern die Ehre und den Adel ihrer Eltern und ehrwürdigen Vorfahren vermehrten und vergrößerten, denn wahrer Adel besteht in der Tugend!“.

Kirill und Maria hatten bereits einen Sohn Stefan, als Gott ihnen einen anderen Sohn schenkte, den künftigen Gründer der Troizkaja Lavra, der Schmuck der Orthodoxen Kirche, die unbezwingbare Feste des Heimatlandes. Lange vor der Geburt dieses heiligen Knaben gab die wunderbare Vorsehung Gottes über ihn schon ein Zeichen, dass hier ein großer Gotterwählter und ein heiliger Zweig aus begnadeter Wurzel erwachsen würde. An einem Sonntag iv kam seine fromme Mutter in die Kirche zur Göttlichen Liturgie und stellte sich demütig, nach damaliger Sitte, in die Vorhalle der Kirche, zusammen mit den übrigen Frauen. Die Liturgie begann; sie hatten schon das Dreimalheilig gesungen, und siehe da, kurz vor der Lesung des Heiligen Evangeliums, inmitten der allgemeinen Stille und des ehrfürchtigen Schweigens, schrie plötzlich das Kind bei ihr im Leibe, so dass viele die Aufmerksamkeit auf diesen Schrei wandten. – Als der Gesang der Cherubim begann, schrie das Kind ein zweites Mal, und dabei bereits so laut, dass seine Stimme in der ganzen Kirche gehört wurde. Es versteht sich, dass seine Mutter erschrak, und die Frauen, die in ihrer Nähe standen, untereinander besprachen, was dieser ungewöhnliche Schrei des Kindes wohl bedeuten könnte? – Unterdessen wurde die Liturgie fortgesetzt. Der Priester rief aus: Aufmerken! Das Heilige den Heiligen! Bei diesem Ausruf schrie das Kind zum dritten Mal, und die bestürzte Mutter wäre fast vor Angst zu Boden gefallen: Sie fing an zu weinen… Sofort umringten sie Frauen, vielleicht darum, weil sie ihr helfen wollten, das weinende Kind zu beruhigen, und sie begannen zu fragen: „Wo ist denn dein Kind? Weshalb schreit es so laut?“ Aber Maria, in seelischer Aufregung, Tränen vergießend, konnte vor ihnen kaum sprechen: „Ich habe kein Kind, fragt jemand anderen“. Die Frauen fingen an, sich umzuschauen, und da sie nirgendwo ein Kind erblickten, hefteten sie sich erneut an Maria mit derselben Frage. Da war sie genötigt, ihnen aufrichtig zu sagen, dass sich in ihren Armen wirklich kein Kind verbirgt, sondern dass sie es im Leibe trägt…

– Wie kann denn ein Kind schreien, wenn es noch im Mutterleib ist? – erwiderten ihr die ins Staunen geratenen Frauen.

– „Ich wundere mich selbst darüber“, antwortete ihnen Maria: „und ich finde mich in nicht geringer Furcht und Verlegenheit“…

Darauf ließen die Frauen sie in Ruhe, ohne übrigens aufzuhören, sich über diesen außergewöhnlichen Fall zu verwundern.

In unserer Zeit“, spricht der heilige Filaret, Metropolit von Moskau, „hätten die Zeugen solch eines Ereignisses wahrlich viel Mühe aufgewandt, um den Grund dieser ungewöhnlichen Erscheinung zu erforschen. Scharfsinnigere könnten vielleicht wagen, zu mutmaßen, dass die Gebetsverzückung der frommen Mutter, während dreier wichtiger Phasen der Göttlichen Liturgie, der Frucht, die sie im Leibe trug, einen außergewöhnlichen Lebensimpuls vermittelte. Aber zu dieser Zeit schätzte man nicht so sehr solche neugierigen Klügeleien, sondern vielmehr die ehrfürchtige Beobachtung der Wege der Vorsehung, und das Volk verließ die Kirche, indem es die Worte aus dem Evangelium über Johannes den Vorläufer wiederholte: „Was will aus dem Kindlein werden? (Luk. 1, 66). Es geschehe an ihm der Wille des Herrn!“

Der ehrfurchtsvolle Schreiber der Vita des hl. Sergij, der ehrwürdige Epifanij, begleitet seine Schilderung über dieses ungewöhnliche Ereignis mit einer solchen Betrachtung: „Es ist der Bewunderung würdig“, sagt er, „dass das Kind, noch im Mutterleib, nicht irgendwo außerhalb der Kirche schrie, an einem einsamen Ort, wo es niemand gab, aber eben unter dem Volk, als ob gerade dafür, dass viele es hörten und wahrheitstreue Zeugen dieses Umstands würden. Bemerkenswert ist auch, dass es auch nicht irgendwie leise, sondern für die ganze Kirche hörbar schrie, als ob es zu verstehen geben wollte, dass sein Ruhm sich über die ganze Erde verbreiten wird, – und nicht dann erhob es seine Stimme, als seine Mutter irgendwo auf einem Fest war oder sich zur Ruhe legte, sondern als sie in der Kirche weilte, und zwar zur Zeit des Gebets, als ob es darauf hinweisen wollte, dass aus ihm ein starker Beter vor Gott werden würde; – und es schrie nicht auf an einem beliebigen Ort, sondern gerade in der Kirche, an einem reinen Ort, an einem heiligen Ort, wo sich Heiligtümer befinden und Gottesdienste vollzogen werden, darauf deutend, dass es selbst zu einem vollkommenen Heiligen des Herrn in Gottesfurcht werden wird. Es ist auch der Umstand der Bemerkung wert, dass es nicht einmal oder zweimal laut rief, aber gerade dreimal, womit es erwies, dass es ein wahrhaftiger Schüler der Heiligen Dreiheit sein wird, so wie die Dreizahl jeder anderen Zahl vorgezogen wird, weil überall und stets diese Zahl Quelle und Anfang alles Guten und Rettenden ist“. – Später, nachdem er aus der alt- und neu-testamentarischen Geschichte Beispiele und Hinweise anführte, welche die bedeutende Symbolik der Dreizahl bezeugten und nachdem er das furchtbare Geheimnis der drei-hypostatischen Gottheit in Erinnerung rief, fuhr der selige Epifanij fort: „Es gebührte auch diesem Kind, noch im Mutterleib dreimal laut zu rufen, bevor es zur Welt kam, als Vorzeichen dessen, dass es irgendwann Diener der Heiligen Dreiheit sein und viele zur Erkenntnis Gottes führen, und seine geistigen Schafe belehren wird, an die Heilige Dreiheit zu glauben, die (Wesenseine) Einwesentliche in Einer Gottheit. Und wirklich“, überlegt Epifanij weiter, „diente nicht all das als klarer Hinweis auf alles Wunderbare und Wunderwürdige in seinem nachfolgenden Leben? Und wurde dies alles nicht tatsächlich verwirklicht in seinen wundervollen Werken? Und wer die ersten Vorzeichen sah und hörte, der musste danach auch jenem glauben, was diesen folgte, denn diese Vorzeichen wurde nicht einfach so, ohne besonderen Zweck gegeben: sie waren Vorboten und Anfang dessen, was in der Folge zur Vollendung kam. Erinnern wir uns der einstigen Heiligen, die im Alten und Neuen Testament erstrahlten; Gott kam ebenso der Empfängnis wie auch der Geburt vieler von ihnen mit besonderer Offenbarung zuvor; so erwählte Gott im Voraus und heiligte Jeremias den Propheten vom Mutterleibe an; dasselbe bezeugt über sich selbst ein anderer Prophet, Jesaja, und der heilige und große Prophet und Vorläufer Christi, Johannes, der noch im Leibe seiner Mutter den Herrn erkannte, der von der All-Reinen Immerjungfrau Maria im Schoße getragen wurde: Und es hüpfte vor Freude das Kind im Leibe (Luk. 1, 44) seiner Mutter Elisabeth, und durch ihren Mund prophetisch ausrief: woher geschieht mir dies, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? (1, 43). Vom heiligen Propheten Elias gibt es eine Legende, dass seine Eltern sahen, wie lichte und wohlgestaltete Männer dieses Kind in feurige Windeln wickelten und ihm feurige Flammen zur Nahrung gaben“… Im Weiteren führt Epifanij ähnliche Erzählungen von Heiligen an: Nikolaj der Wundertäter, Efrem der Syrer, Alypios und Symeon die Säulensteher, Theodor der Sykeot, Euthymios der Große, Theodor von Edessa und Pjotr, Metropolit von Moskau, – Erzählungen, welche wir auslassen, damit, nach der Äußerung des seligen Epifanij selbst: „die Ohren der Zuhörer durch die Länge der Worte nicht ermüden“, und bringen hier nur seine abschließenden Gedanken: „Wunderbar“, sagt er, „war dieser Aufschrei des Kindes im Mutterleibe; wunderbar war seine Erziehung von Kindeswindeln an; wunderbar war auch das ganze Leben dieses wahrhaft wunderbaren Mannes! Der Herr kennzeichnete ihn noch vor seiner Geburt mit Seiner Gnade und wies durch ein ungewöhnliches Ereignis im Voraus auf Seine besondere göttliche Bestimmung für ihn hin.”

Stets ergeben dem Willen Gottes und aufmerksam auf die Wege der Vorsehung verstanden Kirill und Maria die Weisungen der Gottesfügung, und entsprechend diesen Weisungen sollten sie die Angelegenheit der Erziehung des Kindes angehen. Besonders nach der oben beschriebenen Begebenheit wurde die Mutter ungewöhnlich aufmerksam auf ihren Zustand. Immer in Gedanken, dass sie im Leib ein Kind trägt, das ein erwähltes Gefäß des Heiligen Geistes sein wird, bereitete sich Maria in der restlichen Zeit ihrer Schwangerschaft darauf vor, in ihm den zukünftigen Kämpfer für Frömmigkeit und Enthaltsamkeit zu empfangen; und deshalb hielt sie sorgfältig auch selbst, vergleichbar der Mutter des biblischen Richters von Israel, Sampson (Richter 13, 4), Seele und Leib in Reinheit und Mäßigung in allem. „Während sie sorgsam das Geschenk Gottes bewahrte, das sie im Leibe trug, wünschte sie durch ihre Enthaltsamkeit“, wie der Metropolit Platon sagt, „der körperlichen Substanz des Kindes reine und gesunde Nahrung zu geben, denn sie verstand gut mit ihrem edlen Herzen die Wahrheit, dass die Tugend, welche in einem gesunden und schönen Leib erstrahlt, dadurch noch mehr verschönert wird“. Immer eine ehrfürchtige und inständige Beterin, fühlte jetzt die gerechte Mutter ein besonderes Bedürfnis des Herzens nach Gebet; deshalb verbarg sie sich oft den menschlichen Blicken und ergoss in der Stille der Einsamkeit vor Gott mit Tränen ihr heißes mütterliches Gebet über das künftige Schicksal ihres Kindes. „Herr!“, sprach sie dann, „rette und bewahre mich, Deine armselige Magd; rette und erhalte auch dieses Kind, das ich in meinem Leibe trage, denn Du bist doch der die Kinder behütende Herr (Psalm 114, 6); Dein Wille sei, Herr, über uns, und Dein Name sei gepriesen in Ewigkeit!“ So verweilte in strengem Fasten und wiederholtem Gebet die gottesfürchtige Mutter des heiligen Kindes; so wurde auch das Kind selbst, die gesegnete Frucht ihres Leibes, noch ehe es zur Welt kam, auf gewisse Weise schon vorher gereinigt und geweiht durch Fasten und Gebet.

O ihr Eltern“, bemerkt anlässlich dieser Schilderung der heilige Metropolit Filaret, „wenn ihr nur wüsstet, wie viel Gutes, oder umgekehrt, wie viel Böses ihr euren Kindern vermitteln könnt, sogar noch vor ihrer Geburt! Ihr würdet euch wundern über die Präzision der Gerechtigkeit Gottes, welche die Kinder in ihren Eltern segnet und die Eltern in den Kindern und die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern (Numeri 14, 18); und, wenn ihr darüber nachdächtet, würdet ihr mit Ehrfurcht den Dienst erbringen, welcher euch anvertraut ist von Dem, „nach Dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird“ (Eph. 3, 15).

Kirill und Maria erschauten über sich die große Gnade Gottes; ihre Frömmigkeit forderte, dass ihre beseelten Gefühle der Dankbarkeit gegenüber dem Gott, Der Gnade erweist, einen Ausdruck fänden in irgendeinem äußeren Werk der Frömmigkeit, in irgendeinem ehrfürchtigen Gelübde; und was könnte Gott wohlgefälliger sein in solchen Umständen, in welchen sie sich befanden, als ihr starker Herzenswunsch und ihre feste Entschlossenheit, sich vollkommen würdig der Gnade Gottes zu erweisen? Und siehe, die gerechte Maria legte, ähnlich der heiligen Anna, der Mutter des Propheten Samuel, zusammen mit ihrem Ehegatten folgendes Gelöbnis ab: Wenn Gott ihnen einen Sohn schenkt, dann soll er zum Dienst für Gott geweiht werden. Das bedeutete, dass sie ihrerseits versprachen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, damit an ihrem künftigen Kind der Wille Gottes erfüllt würde, seine geheime Vorherbestimmung durch Gott zur Vollendung käme, über welche sie bereits gewisse Weisungen erhielten. Derartige Eltern gibt es natürlich wenige, doch kaum finden sich in unserer sündigen Zeit solche Glücklichen, die so entschieden und dabei unfehlbar das Schicksal ihrer Kinder noch vor ihrer Geburt zu bestimmen vermochten; es ist gefährlich und nicht vernünftig, Gelübde abzulegen, deren Erfüllung nicht vom Willen der die Gelübde Leistenden abhängt; die gerechten Eltern von Sergij konnten es deswegen tun, weil sie bereits geheime Anweisungen erhielten über das künftige Schicksal ihres Kindes; aber wer von christlichen Eltern würde nicht wünschen, in ihren Kindern künftige Bürger des himmlischen Königreiches zu sehen? Und wenn alle das wünschen, dann mögen sie doch alle auch in ihrem Herzen ein festes und unwandelbares Gelübde ablegen – alles, was von ihnen abhängt, ihrerseits zu tun, damit ihre Kleinen wahrhafte Kinder Gottes der Gnade nach, damit sie gehorsame Söhne unserer gemeinsamen Mutter – der Heiligen Orthodoxen Kirche – werden, damit weder Kinder noch Eltern später das bittere Schicksal der Söhne des Reiches erleiden, die, nach dem Wort des Herrn, in die äußerste Finsternis ausgestoßen werden. – Wofür wurde der Mensch von Gott erschaffen? wurde ein einfacher Starez gefragt. – Damit er ein Erbe des Königreichs Gottes wird, antwortete er…

Am 3. Mai des Jahres 1319 gab es im Hause des Bojaren Kirill große Freude und Fröhlichkeit: Gott schenkte Maria einen Sohnv. Die ehrwürdigen Eltern luden ihre Verwandten und guten Bekannten ein, mit ihnen die Freude wegen der Geburt des neuen Mitglieds der Familie zu teilen, und alle dankten Gott für diese abermalige Gnade, welche durch Ihn auf das Haus des frommen Bojaren herabkam. Am vierzigsten Tag nach der Geburt brachten die Eltern den Säugling zur Kirche, um an ihm die heilige Taufe zu vollziehenvi und gleichzeitig ihr Versprechen zu erfüllen, das Kind als unbeflecktes Opfer dem Gott, Der es schenkte, darzustellen. Der ehrfürchtige Priester, mit dem Namen Michail, gab dem Säugling in der heiligen Taufe den Namen Warfolomej, natürlich deshalb, weil an diesem Tag (11. Juni) das Gedenken des heiligen Apostels Bartholomäos gefeiert wurde, denn das forderte die damalige kirchliche Sitte; aber dieser Name war auch seiner Bedeutung nach – Sohn der Freude – besonders tröstlich für die Eltern dieses Kindes, denn lässt sich überhaupt jene Freude beschreiben, welche ihre Herzen überströmte, als sie den Beginn der Erfüllung jener lichten Hoffnungen vor sich erblickten, welche auf diesem Säugling seit dem Tag seines wunderlichen Aufschreis im Mutterleib ruhten?vii Kirill und Maria erzählten von dieser Begebenheit dem Priester, und er, als Kundiger in der Heiligen Schrift, wies auf viele Beispiele aus dem Alten und Neuen Testament hin, dass Gotterwählte schon vom Mutterleib an zum Dienst für Gott vorherbestimmt wurden; er legte ihnen das Wort des Propheten David vor über das vollkommene Vorauswissen Gottes: Auch was an mir noch nicht vollendet war, es sahen Deine Augen (Ps. 138, 16)1 und des Apostels Paulus: Gott, der mich vom Mutterleib an aussonderte … um Seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich Ihn unter den Heiden verkündige (Gal. 1, 15f.)2, und andere ähnliche Stellen aus der Heiligen Schrift, und tröstete sie mit segenspendender Hoffnung bezüglich ihres Neugeborenen: „Lasst euch nicht verwirren“, sprach er zu ihnen, „freut euch lieber, dass euer Sohn ein auserwähltes Gefäß des Geistes Gottes und ein Diener der Heiligen Dreiheit sein wird“. Und der Diener am Altar Christi segnete das Kind und seine Eltern und entließ sie in Frieden.

Unterdessen begannen die Mutter und später auch andere etwas Ungewöhnliches am Säugling zu bemerken: Als die Mutter sich gelegentlich mit einem Fleischgericht sättigte, nahm das Kind ihre Brust nicht an; dasselbe wiederholte sich, und bereits ohne jeden Grund, mittwochs und freitags: so dass an diesen Tagen der Säugling ganz ohne Essen blieb. Und das wiederholte sich nicht einmal, nicht zweimal, sondern ständig; die Mutter beunruhigte sich natürlich, dachte, dass das Kind nicht gesund sei, zog andere Frauen zu Rate, die sorgfältig das Kind beschauten, aber es gab an ihm keinerlei Anzeichen von Krankheit, weder äußere, noch innere; im Gegenteil: der Kleine weinte nicht nur nicht, sondern schaute sie fröhlich an, lächelte und spielte mit den Händchen… Schließlich wandten sie die Aufmerksamkeit auf die Zeit, wann der Säugling die mütterlichen Brüste nicht nahm, und sodann wurden alle überzeugt, dass in diesem Fasten des Kindes „gekennzeichnet wurden“, wie der heilige Metropolit Filaret sich ausdrückte, „die vorangehenden Neigungen der Mutter und die Samen der künftigen Neigungen des Kindes“. Nachdem er im Mutterleib mitsamt Fasten herangewachsen war, erschien es so, als ob das Kind auch nach der Geburt von der Mutter zu fasten begehrte. Und die Mutter unternahm in der Tat noch strenger das Fasten einzuhalten: sie verzichtete ganz und gar auf Fleischspeise, und der Säugling, außer mittwochs und freitags, wurde hierauf stets ernährt mit Muttermilch.

Einmal übergab Maria den Säugling in die Arme einer anderen Frau, damit sie ihn stillt; aber das Kind wollte nicht die Brust der fremden Mutter nehmen; dasselbe geschah auch bei anderen Ammen… „Der gute Zweig der guten Wurzel“, sagt der selige Epifanij, „ernährte sich nur von der reinen Milch seiner Gebärerin. So begann der Säugling vom Mutterleib an Gott zu erkennen, selbst in den Windeln die Wahrheit zu erlernen, selbst in der Wiege sich ans Fasten zu gewöhnen und zusammen mit der Muttermilch Enthaltsamkeit zu üben… Der Natur nach noch Säugling, begann er auf übernatürliche Weise schon sehr früh die Fastenzeit; von Kindheit an war er ein Zögling der Reinheit, ernährt nicht so sehr von Milch, viel mehr durch Frömmigkeit, und ein Erwählter Gottes schon vor der Geburt“…

Viele Mütter“, bemerkt über diesen Fall der Metropolit Platon, „halten es nicht für wichtig, ihr Kind selbst zu stillen, aber das ist in der Tat sehr wichtig. Wofür füllt der Schöpfer der Natur die Mutterbrüste mit Milch, wenn nicht dafür, dass in ihnen für den Säugling nährende Speise vorbereitet wird? Und mit dieser Speise, das heißt mit Milch, werden dem Säugling seine künftigen Neigungen und Wesenszüge eingeflößt“. – „Fremde Milch“ urteilt an einer Stelle der heilige Metropolit Dimitrij Rostowskij, „ist für den Säugling nicht so nutzbringend, wie die Milch seiner eigenen Mutter. Wenn die Amme krank ist, wird auch das Kind krank; wenn sie zornig, nicht enthaltsam, zänkisch ist, wird auch das Kind, das sie stillt, ebenso. Das Kind, von fremder, nicht Muttermilch ernährt, wird zur Mutter nicht solche Liebe und Anhänglichkeit haben, welche Kinder aufweisen, die mit deren ureigener Milch aufgezogen werden. Mögen die wortlosen Tiere solche Mütter beschämen: keines von ihnen überlässt einem anderen, die eigenen Kinder zu nähren“…viii „Besser wäre es für eine gute Mutter, darüber nachzudenken“, spricht der heilige Metropolit Filaret von Moskau, „dass zwei Säuglingen gleichzeitig die Mutter genommen wird: dem Kind der Amme und dem eigenen, und ihr eigenes Kind gezwungen wird, aus der Brust der Amme deren Sehnsucht nach ihrem eigenen verlassenen Kind zu trinken, statt dass es Liebe aus der Brust der eigenen Mutter saugt“…ix „Es gibt Mütter“, spricht der heilige Goldmund (der hl. Johannes Chrysostomos), „die ihre Kinder Ammen abgeben. Christus ließ das nicht zu. Er nährt uns mit eigenem Leib und tränkt uns mit eigenem Blut“…x

Die Zeit des Stillens des Bartholomäos ging zu Ende; das Kind verließ die Wiege; es wuchs körperlich heran, es erstarkte auch im Geist, wurde erfüllt mit Vernunft und Gottesfurcht; die Gnade Gottes ruhte auf dem heiligen Kind und es erfreute gute Menschen.

1 Zitiert aus Psalter, Aus dem Griechischen übersetzt von Dorothea Schütz, Kloster des Hl. Hiob von Pocaev, München 1999, S. 285

2 Zitiert mit Bezug auf „Das Neue Testament“, Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch

iAnmerkungen

 

 Das Warnitzkij-Kloster wurde benannt nach den neben ihm befindlichen und womöglich zu ihm gehörenden Salzlagern. Die Zeit seiner Gründung ist nicht genau bekannt. Aus dem Gnadenbrief des Zaren Michail Feodorowitsch im Jahre 1624 ist ersichtlich, dass dieses Kloster schon existierte zur Zeit von Zar Ioann Grosnij und seines Vaters Vasilij Iwanowitsch. Nach örtlicher Überlieferung wurde es bald nach Aufhebung der Reliquien des Ehrwürdigen Sergij im Jahre 1422 erbaut. Bei den Klosterreformen 1764 wurde dieses Kloster nicht in eine Gemeindekirche umgewandelt, allein deswegen, um den Ort der Geburt des Hl. Sergij im Jahr 1422 zu würdigen. Seine Hauptkirche wurde im Jahr 1770 aus Eigenmitteln des Bischofs von Rostov, Afanasij, gebaut. In ihr gibt es einen Hauptaltar, geweiht der Lebenspendenden Dreiheit, und Seitenaltäre – einer davon geweiht den Ehrwürdigen Sergij und Nikon, der andere dem Heiligen Athanasios (gleichnamig der Erbauer) und Kyrillos (gleichnamig der Vater des Ehrwürdigen Sergij).

ii Die Geschichte hat uns nicht die Familiennamen der Eltern von Sergij aufbewahrt; aber der ältere Bruder des ehwürdigen Sergij, Stefan, wird für den Stammhalter des Geschlechtes der Iwantschini gehalten (russische Quelle einfügen)

iii Konstantin Boríssowitsch beerbte seinen Bruder Dmítrij nach dessen Tod im Jahr 1294. – (russische Quelle einfügen)

iv „An einem Sonntag“, Epifanij

v So ungefähr wird das Geburtsjahr des ehrw. Sergij bestimmt: Metropolit Makarij in seiner „Geschichte der Russischen Kirche“, Bd. IV, S. 352, – Professor W.O. Kljutschewskij in seiner Untersuchung über „Altruss. Heiligenviten“, S. 102-108 – D.I. Ilowajskij in „Geschichte Russlands“, Bd. 2, S. 101 – Vr. Archimandrit Leonid in seinem Vorwort zum ältesten Text der Vita des ehrw. Sergij, geschrieben von Epifanij u.a. – Aber der Erzbischof Filaret von Tschernigov, im Buch „Russische Heilige“ – 2. Ausg., September, S. 126 – nimmt als Geburtsjahr des ehrw. Sergij das Jahr 1313 an; M. Filaret von Moskau, in einer separaten Vita, und P.S. Kasanskij in seiner unvollendeten und deshalb nicht edierten „Vita des e hrw. Sergij von Radonesch“, glauben an das Jahr 1314. – Der Grund solcher Uneinigkeit liegt darin, dass Epifanij selbst das Jahr nicht mit Genauigkeit festlegt, sondern unbestimmt sagt: “Zur Zeit des großen Fürstentums von Twer, des Großfürsten Dimitrij Michailowitsch, des Erzbischofs Pjotr, des Metropoliten der ganzen Rus‘, als das Heer von Achmul kam“. Der Fürst Dimitrij Michailowitsch wurde Großfürst im Herbst des Jahres 1322 – Vollständige Sammlung der Chroniken III, 72; V, 216; VII, 198; XV, 414; im selben Jahr, im Sommer, kam als Botschafter der Ordá Achmul, der den am Unterlauf gelegenen Städten viel Böses antat. Der Hl. Pjotr war Metropolit von 1308 bis 1326. Diese Hinweise passen offensichtlich besser zu dem von uns angenommenen Jahr 1319, als zu den Jahren 1313 bis 1314. Am leichtesten wäre, das Geburtsjahr zu bestimmen durch einfache arithmetische Subtraktion der Zahl der Lebensjahre des Ehrwürdigen von jenem Jahr, in welchem er entschlief. Metropolit Filaret und Professor P.S. Kasanskij verfahren auch so, wenn sie als Todesjahr 1392 statt 1391 annehmen – so auch der hochgeweihte Filaret von Tschernigov, obgleich der letztgenannte das Jahr 1391 für das Todesjahr hielt. Sie alle glauben, dass die Zahl der Lebensjahre des Ehrwürdigen 78 beträgt. „Eine bestimmte Aussage über die Lebensjahre Sergijs“, sagt Kasanskij, „ist bei weitem genauer als der unbestimmte Hinweis auf die Zeit der Geburt. Der Starez Sergij sprach natürlich in den letzten Jahren seines Lebens mehrmals zu seinen Schülern darüber, wie alt er ist. Dieser Hinweis wird besonders verständlich bei der Übergabe seines Amtes als Abt, einige Monate vor seinem Hinscheiden, an den ehrwürdigen Nikon. Ohne Zweifel sein hohes Alter erwähnend, übergab er die Leitung seinem Schüler. Epifanij lebte mit dem ehrw. Sergij in den letzten Jahren seines Lebens und konnte selbst immer wieder von ihm hören, wie alt er ist. Über die Kinderjahre des ehrw. Sergij hatte Epifanij, der Schreiber seiner Vita, keine völlig genauen Angaben. Er nannte sogar nicht das „Dorf“, in welchem die Eltern des ehrw. Sergij wohnten. Epifanij hörte von den Starzen, vom Bruder des ehrw. Sergij – Stefan, oder vom Ehrwürdigen selbst, dass er dann geboren wurde, als der Großfürst der Fürst von Twer war“… „Im Jahr des Todes von Sergij“, bemerkt Klutschewskij, „gab es im Kloster kaum Menschen, die sein Geburtsjahr erinnern konnten (Anmerkung: Außer seinem Bruder Stefan; aber er war zu dieser Zeit selbst ein Kind), noch weniger kann man solche Menschen 26 Jahre später vermuten, als diese Vita geschrieben wurde“. Also, wenn der ehrw. Sergij 78 Jahre lebte, dann wurde er selbstverständlich im Jahre 1313 geboren. Aber diese Jahresangabe würde zu sehr von jenen historischen Ereignissen abweichen, auf welche Epifanij hinweist, als eine der Geburtszeit des ehrw. Sergij nahe gelegenen. „Nach allen historischen Daten, sagt M. Makarij, „meinen wir, dass die Zeit der Geburt des ehrw. Sergij zwischen 1318-1322 liegt“. Es bleibt zu mutmaßen eines von beiden: Entweder der ehrwürdige Sergij verschied nicht 1391, sondern 1397, wie es in einigen Abschriften seiner Vita steht, oder er lebte 72 Jahre, und nicht 78. Aber die erste Vermutung würde dem Gründungsjahr des Sawa-Klosters widersprechen – siehe Hist. Beschr. des Sawa Storosch. Klosters, Anm. 12 – vgl. unten, Anm. 184 – also bleibt nur, die letzte für richtig zu halten. Und in der Tat: es ist vor allem bemerkenswert, dass Epifanij selbst von einem solch einfachen Verfahren der Bestimmung des Geburtsjahres durch Subtraktion der Zahl der Lebensjahre vom Todesjahr nicht Gebrauch machte. Und dieser Umstand verdient umso mehr Aufmerksamkeit, dass „Epifanij“, nach der berechtigten Bemerkung von P.S. Kasanskij, „offenbar selbst suchte nach chronologischen Hinweisen, aber nicht besonders erfolgreich. So sagt er, dass der ehrw. Sergij zur Zeit des Patriarchen Kallistos geboren wurde. Aber Patriarch Kallistos gab es erst 1350-1362“. Was wäre besser, statt solcher unbestimmten Erwägungen, einfach zu subtrahieren und das Jahr zu erhalten? Aber er macht das nicht… Und das führt selbstverständlich zum Gedanken, dass, wie es scheint, im Urtext der Vita des Epifanij überhaupt keine Angabe über die Zahl der Lebensjahre des ehrw. Sergij zu finden ist, und dass diese von der Hand des späteren Kopisten, möglicherweise Pachomij, zunächst am Rande vermerkt, und danach in den Text übertragen wurde. So denken W.O. Kljutschewskij und Archimandrit Leonid, indem sie darauf hinweisen, dass sogar in der grammatischen Sprachstruktur der ältesten Kopien der Vita an dieser Stelle Anzeichen späterer Einfügung erkennbar sind. Vr. Leonid führt zur Bestätigung seiner Bestimmung des Geburtsjahres des ehrw. Sergij – 1319 -eine Stelle aus der Lobesrede auf den ehrw. Sergij an (aller Wahrscheinlichkeit nach geschrieben viel früher als die Vita), wo er in einer kurzen Skizze des Lebens des Ehrwürdigen abgerundete Zahlen nimmt und sagt, dass er im Mönchstum 50 Jahre kämpfte und mit 70 Jahren starb. So steht es in der Kopie der Rede in den Lese-Minäen von M. Makarij. Wenn wir annehmen, dass der ehrw. Sergij 1319 geboren, und zum Mönch, wie aus derselben Vita bekannt ist, im 23. Jahr geweiht wurde, dann wird in der Tat die Zahl seiner Mönchsjahre minus 13 Tage 50 betragen, und die Zahl seiner Lebensjahre 72. Es ist klar, dass sich bei einer abgerundeten Zahl besser die 70 von der 72 eignet, als die 78; im letzteren Falle läge näher die Ziffer 80 zu wählen. Siehe Vita des ehrw. Sergij, Denkmäler Alter Schriften, 1885, Seite VII – VIII. – Was die Ziffer 78 angeht, welche in vielen Kopien der Vita angeführt ist, so könnte sie leicht aus der 72 gebildet werden, besonders wenn man aufmerksam die altslawische Graphik des Buchstabens W betrachtet – in Form eines Quadrats. Einer der ersten Kopisten könnte so leicht das Quadrat übergangen und die Konjunktion „и“ (= und, in Schreibschrift „u“) als die Zahl 8 genommen haben. – Wir verweilten deswegen ziemlich eingehend bei der Bestimmung des Geburtsjahres des ehrw. Sergij, weil wir ohne solche Eingrenzung nicht die Chronologie der wichtigsten Ereignisse im Leben des Gottgefälligen festlegen und sie mit anderen Zeitereignissen verbinden können. – Die Bestätigung unserer Erwägungen finden wir in einer der Handschriften des XVII. Jahrhunderts, und zwar im Kirchenkalender, wo direkt steht, dass der ehrw. Sergij 72 Jahre lebte. Verzeichnis der Handschriften des Grafen Uwarov. Nr. 685.

vi Nach alter Sitte wurde die Taufe des Säuglings am 40. Tag nach ihrer Geburt vollzogen, wobei ihm der Name des Heiligen gegeben wurde, dessen Gedenken sie am Tage seiner Taufe feierten. Dem ehrw. Sergij wurde bei der Taufe der Name Warfolomej gegeben; das Gedächtnis des Apostels Bartholomäos wird am 11. Juni gefeiert, das heißt, dass der Gottgefällige 40 Tage zuvor, am 3. Mai geboren wurde. So bestimmte P.S. Kasanskij den Tag der Geburt des ehrw. Sergij.

vii Der Gedanke von M. Platon, siehe die von ihm geschriebene Vita und den Akathistos. Im „Versuch eines biblischen Lexikons der Eigennamen“ von Pr. Solarskij wird das Wort W a r f o l o m e j einfach übersetzt mit

S o h n v o n F o l o m e j

viii Chronik des hl. Dimitrij M. von Rostov, Teil II, S. 104-105, Ausgabe 1817

ix Worte und Reden des M. Filaret, Bd. III, S. 350

x Zu Matthäus, Homilie 28

 

Kapitel II

Übersetzt aus dem Russischen: lfs / put

 

 

 

 

 

Share