Die zweitägige Vorfeier und das Fest der Theophanie unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus erlebte ich dieses Jahr in unserer Gemeinde wie einen anschwellenden Fluss. Standen am Freitagmorgen während der Lesung der Königsstunden nur vier Gläubige beisammen, traf schon beim Abendgottesdienst und dann erst recht am Vortag, dem „Sotschnelnik“, zur Göttlichen Liturgie des hl. Basilios des Großen, mit anschließender erster Wasserweihe, der lebendige Kern der Gemeinde zusammen, um der kommenden „Erscheinung“, der Theophanie Gottes, vorab die Ehre zu geben. Und am Großen Vorabend mit Brotsegnung und dann vor allem zur Göttlichen Liturgie der heiligen Taufe Christi selber, mit Erscheinung der Allerheiligsten Dreiheit, standen am Sonntagvormittag unsere Gläubigen gedrängt wie sonst nur zu Weihnachten oder Ostern. Nach Empfang der Heiligen Gaben, Predigt, Großer Wasserweihe und abschließender Segnung strömten viele mit Flaschen zum „Quell“, den mit geweihtem Wasser gefüllten Taufbehältern. Anschließend wurde in der trapeza im Parterre eine kurze Auffrischung gewährt, bevor ca. vierzig Beherzte aufbrachen zur gemeinsamen „Taufe im Jordan“.
Dies ist ein vor allem in Russland beliebtes, orthodox-christliches Ritual zum Fest der Taufe Christi, wo in öffentlichen Gewässern bei jedweder Witterung ein persönlicher Tauchgang vollzogen wird. Nachdem ich schon vor zwei Jahren ein Abtauchen ins eiskalte Wasser gewagt (und überstanden) hatte, wollte ich für dieses Jahr dem Akt des Tauchens die erforderliche christliche Bedeutung beimessen. Denn schon seit Jahren redete mir ein griechischer Freund ins Gewissen, ich sei nur vollwertiger Orthodoxer, wenn ich als Täufling (wie auf dem heiligen Berg Athos) dreimal untergetaucht würde. So befragte ich noch im alten Jahr meinen Priester, ob ich denn wirklich „wieder“ getauft werden müsse, weil die Aufnahme in die Orthodoxie Ende Dezember 2001, nach achtjähriger Vorbereitung, für einen ehemaligen Protestanten (gemäß dem sog. ökonomia-Prinzip) „nur“ durch Myronsalbung erfolgte. Es gelang meinem Priester, mich hierüber zu beruhigen, dass ich also vollgültig getauft und eine sog. „Tauferneuerung“ gar nicht statthaft sei. Stattdessen dürfte ich aber von diesem Tauchritual anlässlich der Epiphanie eine „Taufbekräftigung“ erwarten. Erleichtert verbrachte ich die Wochen vor dem Ereignis mit leicht verstärktem Fasten und Gebet, und wurde nun von einer kleinen Auto-Prozession über die Heerstraße in Richtung der Havelgewässer mitgenommen.
Die ca. vierzig Beherzten gelangten nach einem kurzen Fußmarsch ans „Jordanufer“, an die Scharfe Lanke bei Pichelsdorf, mit Blick auf die Weinmeisterhöhe. Unser Priester zelebrierte mit den Versammelten nach einem besonderen Ritus die Weihe des öffentlichen Gewässers, wonach sich dann die etwa gleich starken männlichen und weiblichen Hälften der Gemeinde zur Rechten und Linken in ihre Badekostüme warfen. Die Herren hatten den Vortritt, und ich war wohl wegen der Bedächtigkeit beim Auskleiden der Letzte. Als schon fast alle wieder gen Ufer wateten, strebte ich durchaus beherzt und entschlossen dem See zu, das weiße Weinmeisterkreuz gegenüber (ohne orthodoxen Balken) fest im Blick. Der Seeboden fiel seicht ab, weswegen ich unbeirrt vorwärts stapfte ins eiskalte Jordanwasser, um mehr Tiefe zu erreichen. Plötzlich hörte ich eine priesterliche Stimme von ferne: „Nicht so weit!“. So hielt ich denn auf der Stelle an, bekreuzigte mich, jeweils beim dreimaligen Untertauchen, nach dem Vorsatz meinem griechischen Freund zuliebe. Nach dem dritten Wiederauftauchen spürte ich so eine Art „flash“ im Kopf, und etwas benommen kehrte ich zum Ufer zurück. Dort begannen jetzt die Frauen sich anzuschicken, in das geweihte Gewässer zu treten.
Wir „prozessierten“ nach einer Weile fast allesamt zur Kirche zurück und verbrachten dort mit den noch dagebliebenen weniger Beherzten den ganzen Nachmittag im Gespräch, einige bis in den Abend hinein. Meine durchaus wohlige Benommenheit hatte zur Folge, dass ich heute nicht mehr weiß, mit wem ich gesprochen habe. Ich weiß nur, dass ich meinen Platz an der Ecke eines großen Tisches nicht verließ, und am Abend zuhause meinen Computer nicht mehr bedienen konnte. Eine sehr merkwürdige Entfremdung zum Alltäglichen fiel wie eine Wolke über mich etwa zwei Tage lang. Nun hoffe ich aber, dass der „flash“ etwas mit dem „Licht des Herrn“ zu tun hatte, das „auf uns gezeichnet (ward), die wir in der Erkenntnis Dir lobsingen: Du kamst und Du erschienst, du unnahbares Licht“ (aus dem Kondak). Und vielleicht ist durch die „Taufbekräftigung“ der Reinigungsprozess wirklich vorangekommen, und Dunkles, Unwertes, Unheiliges der Vergessenheit anheimgegeben worden. Jedenfalls gedenke ich dieses Tauffestes durchaus heiteren Sinnes, und singe innerlich: „Der Du erschienen bist, Christus, als Gott und die Welt erleuchtet hast, Ehre sei Dir“ (aus dem Tropar).
25.1.14 peter u. trappe